Freizeit & Reisen
Dialekte in Deutschland
14.12.2022
Artikel zum Hören 04:56 Min.
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14.12.2022
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Wenn der Mund auf Deutschlandreise geht

Deutschland ist ein Land voller Dialekte. In der Bundesrepublik wird geschwätzt, gequatscht, gebabbelt, geklönt und jeschwaat. Aber warum sind manche Dialekte beliebter als andere und warum verschwinden sie immer mehr?

 

„Jede Provinz liebt ihren Dialect: denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Athem schöpft“, sagte schon Johann Wolfgang von Goethe. Seiner Herkunft und seiner Sprache solle man sich laut dem deutschen Dichterkönig also nicht schämen. Das gilt auch heute, denn die eigene Heimat ist für viele Menschen eng mit dem regionalen Dialekt verbunden. Egal, ob der Bäcker auf pfälzisch grüßt, die Mutter im breitesten Oberbayerisch zu Tisch ruft oder der Nachbar ein knappes „Moin“ über den Gartenzaun ruft – für viele bedeutet der Dialekt die Identifikation mit der Heimat und ist Ausdruck für ein heimeliges Lebensgefühl. Und dennoch werden die um die 20 deutschen Dialekte immer weiter zurückgedrängt.

Das liegt unter anderem an den Massenmedien, mit deren Hilfe das Hochdeutsche im gesamtdeutschen Raum in alle Wohnzimmer schallte – erst per Radio, später über die Mattscheibe. So wurde die ungefärbte Sprache im wahrsten Sinne salonfähig. Zusätzliches Hemmnis für Dialekte war ab Ende des 19. Jahrhunderts auch die immer mobiler werdende deutsche Gesellschaft. Wer sein Dorf nie verließ, kam immer mit der lokalen Mundart zu Rande. Als sich die Arbeitsplätze jedoch immer mehr in urbane Ballungsräume verlegten, der Handel ausgeprägter wurde und nach den Weltkriegen viele Menschen ihre Heimat verloren, musste in den neuen Räumen ein sprachlicher Konsens gefunden werden. Und der war – zu Lasten der regionalen Dialekte – oftmals Hochdeutsch.

Susanne Eisenmann, die damalige Kultusministerin Baden-Württembergs, befürwortete noch 2020 das Sprechen von Dialekten, sowohl im Alltag als auch in schulischen Kontexten. Dialekt sei mehr als nur Sprache, denn er habe mit der eigenen Geschichte zu tun. „Wer Dialekt spricht, spricht Herkunft“, so Eisenmann. Die CDU-Politikerin bedauerte den schleichenden Abschied des Dialekts in den Schulen und dass es sogar Eltern gebe, die explizit nach Unterricht auf Hochdeutsch für ihr Kind fragen, um zu verhindern, dass man dem Kind später seine Herkunft „anhöre“.

 

Bairisch am Schönsten

Nichtsdestotrotz spielen Dialekte in der öffentlichen Wahrnehmung auch heute noch eine große Rolle. 2021 wurde Bayerisch im Rahmen eines Online-Votings von TRAVELBOOK.de zum schönsten Dialekt Deutschlands gekürt. Dabei stimmten 21 Prozent für den Dialekt aus dem Süden Deutschlands, der somit vor Hamburgisch (17 Prozent) und Schwäbisch (13 Prozent) landete. Insgesamt gingen während des Voting-Zeitraums von vier Wochen 109.806 Stimmen ein.

Doch was macht gerade den typischen Dialekt so besonders? „Wenn Leute Bairisch hören, kommen bei diesen sofort Bilder wie Berge, Seen, Landschaften, Brauchtum und Leute in Tracht. Das sind alles positive Bilder, die von vielen Menschen positiv erlebt werden beziehungsweise in Erinnerung sind“, erklärt Siegfried Bradl, Vorsitzender des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte. „Sprachbezogen kommt hinzu, dass der bairische Dialekt gut ‚ins Ohr geht‘, filigran und feinsinnig in seiner Ausdrucksweise und die Emotionalität der Menschen mit einschließt“, sagt Bradl weiter.

Nicht alle Dialekte sind derart beliebt. Laut einer Umfrage des Instituts für Deutsche Sprache war beispielsweise Sächsisch zumindest vor 13 Jahren der unbeliebteste Dialekt in Deutschland. Knapp ein Drittel der befragten Bundesbürger gab in der repräsentativen Umfrage demnach an, Sächsisch als „besonders unsympathisch“ zu empfinden. Es zeigt sich: Menschen, die in Mundart sprechen, werden verschiedene Eigenschaften zugeschrieben – je nach Dialekt. Damit gehen nicht nur Vorteile einher.

 

Nachteil Dialekt?

Denn wer Dialekt spricht, hat weniger Geld in der Geldbörse. Das hat eine Studie des renommierten US-amerikanischen National Bureau of Economic Research herausgefunden. Das Forschungsteam hat einen Blick darauf geworfen, wie sich die aktive Benutzung einer Mundart in Deutschland auf das Gehalt auswirkt. Das Ergebnis: Wer einen starken regionalen Akzent hat, verdient im Schnitt 20 Prozent weniger als jemand, der vorwiegend Hochdeutsch spricht. Obendrein gelten Dialektsprecher zwar gemeinhin als temperamentvoller und freundlicher, gleichzeitig werden sie aber auch als weniger gebildet wahrgenommen. Vor allem ist es deswegen schwieriger für Dialektsprecher, in Führungspositionen Fuß zu fassen.

Obwohl schon seit Jahrzehnten der baldige Tod des Dialekts ausgerufen wird, steht uns ein Mundartsterben dennoch nicht bevor. Zwar verschwindet laut Sprachforschern der tiefe Dialekt, der sich von Dorf zu Dorf unterscheidet, immer mehr. An seine Stelle tritt dafür eine Art Regiolekt, anhand dessen man in Deutschland noch sehr lange heraushören können wird, woher jemand stammt. Auch das gesprochene Standarddeutsch verliert gleichzeitig an Perfektion und lässt regionale Eigenheiten zu. Und so werden sich auch in Zukunft hochdeutsche Sätze in der ganzen Bundesrepublik weiterhin mit einem gepflegten „Moin“ oder „Servus“ abwechseln.

 

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Wenn der Mund auf Deutschlandreise geht
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