Freizeit & Reisen
Heimatkunde
01.02.2023
Artikel zum Hören 07:33 Min.
Lesedauer ca. 7 :00 Min.
01.02.2023
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Heimatkunde im Vorbeifahren

Sehenswertes entlang der Autobahn: Woher die touristischen Hinweisschilder kommen und was sie bedeuten.

Sie kennen das: Sie fahren auf der Autobahn und sehen zwischen Schildern, die auf Geschwindigkeitsbegrenzungen, die nächste Raststätte oder Ausfahrt aufmerksam machen, hin und wieder ein braunes Hinweisschild, das eigentlich nichts mit Straßenverkehr zu tun hat.

Diese Schilder werben für Sehenswürdigkeiten und touristische Attraktionen in der Region. Diese reichen oft von skurril bis sehenswert. So wird an der A1 einerseits für den schönen bewaldeten Höhenzug der Dammer Berge geworben, andererseits aber auch eher trocken für „Europas Chemieregion“ bei Leverkusen. An der A4 zwischen Kerpen und Düren sind es die Bäume des Jahres 1985 bis 2014 – alle 200 Meter ein Schild mit dem Namen, gleich dahinter der echte Baum in einer Dreiergruppe.

In Frankreich begann man in den 70er Jahren damit, touristische Ziele entlang der Autobahn mit Schildern zu kennzeichnen. Seit Mitte der 80er Jahre findet man diese Schilder auch an deutschen Autobahnen. Die Idee: Wer ohnehin in der Gegend unterwegs ist, kann gleich mit dem Auto vorbeifahren.

 

Erfolgreich abgelenkt

Wissenschaftler der Hochschule Harz haben erstmals untersucht, wie diese sogenannten „touristischen Unterrichtungstafeln“ wahrgenommen werden. Die Online-Befragung ergab, dass fast jeder Sechste bereits mindestens einmal spontan dem Hinweis auf ein bestimmtes Ausflugsziel gefolgt ist. Zwei von drei Personen gaben an, sich an konkrete Schilder und die darauf abgebildeten Sehenswürdigkeiten, Städte oder Landschaften erinnern zu können. Nur 4 Prozent gaben an, die Schilder noch nie wahrgenommen zu haben.

„Offenbar gibt es kurz-, mittel- und langfristige Effekte“, erklärt Prof. Dr. Sven Groß, der an der Hochschule Harz im Bereich Verkehrsmanagement lehrt und forscht. Wenn die Befragten kurzfristig einem Hinweis folgten, investierten sie sogar längere Fahrzeiten: zwei von drei (65,4 Prozent) bis zu 30 Minuten. Ein Teil derer, die nicht spontan dem Hinweis einer touristischen Informationstafel folgten, merkten sich das Ziel für spätere Ausflüge. „Einige Personen haben uns in zusätzlichen Leitfadeninterviews von Listen berichtet, die sie sich während oder nach der Autofahrt machen.“ So entfalten die Tafeln tatsächlich ihre Wirkung bei den Reisenden.

 

Schilderwald ohne Zentrale

Interessant bei den Hinweisschildern ist, dass es keine zentrale Stelle in Deutschland gibt, die sich um die touristischen Auszeichnungen kümmert. In jeder Region ist eine andere Behörde dafür zuständig und entscheidet selbst darüber, welche Sehenswürdigkeit beworben wird. Und natürlich gelten für diese Schilder längst genaue Regeln, wir sind ja in Deutschland. Beispielsweise darf sich nicht ein Schild an das andere Reihen. Exakt zehn Kilometer beträgt der Mindestabstand. Außerdem sind nicht mehr als zwei pro Autobahnabschnitt – also zwischen zwei Knotenpunkten – gestattet. Die beworbene Sehenswürdigkeit muss zudem einigermaßen in der Nähe der Autobahn liegen.

An dieser Stelle möchten wir einige diese Schilder beziehungsweise Attraktionen, die sich dahinter verbergen, näher vorstellen. Alle haben etwas mit dem Kirchenreformator Martin Luther zu tun, dessen Geburtstag sich dieses Jahr zum 540. Mal jährt. Grund genug, sich exemplarisch drei Sehenswürdigkeiten näher anzuschauen, die unmittelbar mit Luther und der Geschichte der Reformation zusammenhängen. Gleichzeitig illustrieren diese Beispiele, wie vielfältig die Hinweisschilder an der Autobahn sein können.

Wittenberg – Kleine Stadt ganz groß

Die Lutherstadt Wittenberg ist immer eine Reise wert und hält tagefüllende Angebote und Sehenswürdigkeiten parat.

Wittenberg – Kleine Stadt ganz groß

Bei Kilometer 57 auf der A6, die von Frankreich bis an die deutsch-tschechische Staatsgrenze führt, befindet sich der touristische Hinweis auf Wittenberg. Die Kleinstadt mit fast 50.000 Einwohnern in Sachsen-Anhalt gilt aus gutem Grund als Lutherstadt. Denn: Hier wurde wortwörtlich Geschichte geschrieben!

Verschiedene Gedenkstätten wie die Schlosskirche, an dessen Türen Martin Luther die 95 Thesen mit lauten Hammerschlägen geschlagen haben soll, wurden 1996 zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt. Ob er die Thesen nun wirklich an die Kirchentüren genagelt hat oder nicht – fest steht zumindest: Am 31.10.1517 schrieb der deutsche Reformator einen Brief an seine Vorgesetzten. Diesem legte er die 95 Thesen bei, die als Grundlage für die Auseinandersetzung dienen sollten. Auch die Stadtkirche St. Marien, das Lutherhaus und das Melanchthonhaus gehören zum UNESCO Weltkulturerbe.

In Wittenberg hat Luther bis zu seinem Tod mit seiner Frau und seiner Familie gelebt. Er wurde in der dortigen Schlosskirche beigesetzt. Wittenberg – eine kleine Stadt mit einer großen internationalen Bedeutung für die Kirche und Geschichte.

Dom zu Worms

Der Dom St. Peter zu Worms ist steiler und schlanker konzipiert als die Dome in Speyer und Mainz und damit der kleinste der drei rheinischen Kaiserdome.

Dom zu Worms

Luther war viel in Deutschland und sogar bis nach Rom unterwegs – um zu lernen, lehren und die Menschen von seinen Thesen zu überzeugen. So weist der 33. Kilometer auf der Autobahn A6 ebenfalls auf ein geschichtsträchtiges Bauwerk hin, das Luther auf seinen Reisen besucht hat: den Wormser Dom. „Ich bin hindurch“, soll er gesagt haben, als er den Verhandlungssaal im Dom verlassen hat. Zweimal musste er dort vor Kaiser Karl V. erscheinen. Dieser wollte ihn zwingen, seine Lehren zurückzunehmen und ließ ihn nach seinem letzten Auftritt für vogelfrei erklären. Aber Luther hatte auf seinem Weg auch viele Anhänger und Begleiter.

Der Dom von Worms, der auf dem höchsten Punkt der Stadt liegt, steht deshalb für den Bruch der abendländischen Kirche. Viele Schriften bezeichnen dieses Bauwerk, neben dem Dom in Mainz und dem Dom in Speyer, als eines der großartigsten der romanischen Zeit. Unser Tipp: Besuchen Sie die Ostwand des Doms, in die alte Reliefe und Steinfiguren gemeißelt sind, im Nachmittag. Dann taucht die Sonne diesen Bereich des Doms in ein besonderes Licht. Es scheint, als würden durch das Schatten- und Lichtspiel die Figuren zum Leben erweckt. Worms und besonders der Dom sind definitiv einen Besuch wert!

Blick auf die Wartburg

Die Wartburg, seit 1999 Welterbe der UNESCO, gilt als eine der wichtigsten Burgen Deutschlands.

Blick auf die Wartburg

Der Kurfürst Friedrich der Weise ließ Martin Luther entführen, um ihn vor der katholischen Kirche und dem Kaiser zu schützen. Er brachte ihn im Mai 1521 auf die Wartburg. Bei Kilometer 275,5 an der A4 steht das braune Hinweisschild für die Burg bei Eisenach. Dort soll Luther sich unter falschem Namen versteckt gehalten haben. Um sich von seinen Gebrechen abzulenken, widmete er sich einer neuen Aufgabe. Er übersetzte das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche. In nur elf Wochen vollendete er das Werk, welches 1522 in Druckform erschien.

Das ganze Jahr geöffnet, bietet die Wartburg ihren Besuchern einen atemberaubenden Blick über die Region. Wegen ihrer Geschichte wurde auch sie 1999 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt. Das Hauptgebäude stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist heute noch für Besucher geöffnet. Es heißt, dort wurden damals die schönen Künste gepflegt. Unter anderem gab es Sängerwettbewerbe, bei denen auch Lieder von Walther von der Vogelweide gespielt wurden. Neben Luther, der dort im Exil lebte, war die Wartburg ebenso Wohnstätte für die Heilige Elisabeth. Landgräfin Elisabeth von Thüringen gilt als eine wichtige Persönlichkeit des Mittelalters und wird heute noch wegen ihrer Nächstenliebe sowohl in der evangelischen als auch in der katholischen Kirche verehrt.

Ebenfalls ein Grund für einen Besuch der Wartburg: die Kunstsammlung mit Werken von Lucas Cranach dem Älteren, einem der bekanntesten Maler und Grafiker der Renaissance.

Es zeigt sich, hinter diesen touristischen Hinweistafeln entlang der deutschen Autobahnen verstecken sich spannende Ausflugstipps. Also ruhig einmal öfters abfahren. Denn wie heißt es so schön – der Weg ist das Ziel! Übrigens: Auf der Autobahn finden sich nur touristische Hinweisschilder, sondern vor allem wichtige Verkehrsschilder. Wer deren Bedeutung nicht kennt, oder eines gesehen hat, dass er nicht einordnen konnte – hier werden sie erklärt.

 

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Heimatkunde im Vorbeifahren
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