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H-Kennzeichen Audi
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H wie Oldtimer – der Weg zum KULTurgut

Im letzten Jahr zählte das Kraftfahrtbundesamt mehr als eine halbe Million Oldtimer in Deutschland. Mit fast 650.000 Einheiten hat sich der Bestand im letzten Jahrzehnt fast verdreifacht. Großen Anteil an dieser Erfolgsstory hat das sogenannte „H-Kennzeichen“, das vor kurzem seinen 25. Geburtstag feierte. Das „H“ dürfen Fahrzeuge tragen, die u.a. mindestens 30 Jahre alt sind … und es macht den Betrieb von Oldtimern bei KFZ-Steuer und Versicherung zu einem erschwinglichen Hobby.

Wenn Hans Sigl als Martin Gruber in seinen dunkel-grünen Mercedes steigt und mit durchdrehenden Rädern zu seinen Patienten düst, sitzen regelmäßig Millionen Fernsehzuschauer gebannt vor dem Bildschirm: Dann ist „Bergdoktor-Zeit“! Seit 2008 begeistert der umtriebige Landarzt im österreichischen Ellmau seine treue Fangemeinde. Und während sicherlich viele (eher weibliche) Zuschauer großes Interesse am jeweiligen Beziehungsstatus des Bergdoktors haben, richten Oldtimer-Fans ihre Blicke auf das formschöne Blech seines ungewöhnlichen Dienstwagens. Denn bei dem Mercedes der Baureihe W 123 handelt es sich um den in Deutschland aktuell beliebtesten Oldtimer. Das belegen die Zulassungszahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes. Zusammen mit dem VW Käfer sind jeweils über 40.000 Exemplare auf Deutschlands Straßen unterwegs bzw. gemeldet – und fast immer mit dem sogenannten H-Kennzeichen, das beide Fahrzeuge zum „Historischen Kulturgut“ adelt. Denn bei beiden Typen handelt es sich um Autos, die vor über dreißig Jahren hergestellt wurden. Und wenn sie dann noch weitestgehend dem Originalzustand entsprechen, in einem guten Erhaltungszustand sind und „zur Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes dienen“, dann dürfen diese Fahrzeuge das H-Kennzeichen tragen und eine Reihe von Vergünstigungen genießen.    

 

H-Kennzeichen seit dem Jahr 1997

Seit über 25 Jahren dürfen Oldtimer in Deutschland das H-Kennzeichen tragen. Um automobiles Kulturgut zu schützen, hat der Gesetzgeber im Jahr 1997 im §23 der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung das „H“ eingeführt und – ungewollt – entscheidend an einer echten Erfolgsgeschichte mitgearbeitet. Denn Jahr für Jahr klettert der Bestand an historischen Fahrzeugen in Deutschland. Waren es 2012 noch gut 230.000 angemeldete Oldtimer, ist ihre Zahl im letzten Jahr auf über 630.000 Fahrzeuge angewachsen. Die Gründe für diesen Boom sind vielfältig.

Wurden bis zur Jahrtausendwende Oldtimer eher von gut situierten Zeitgenossen gehegt und gepflegt und vielfach als Wertobjekt mit garantierter Rendite gehandelt, sind in den letzten Jahren die automobilen Kinder der 70iger und 80iger Jahre in das Blickfeld gerückt, insbesondere bei der „Baby-Boomer-Generation“. Die heute 55- bis 65jährigen Autofahrer haben mit dem „grauen Lappen“ und Führerschein Klasse 3 ihre ersten Fahrversuche auf VW Golf, Opel Kadett oder Ford Escort gemacht und tragen heute aus Liebhaberei zum Erhalt ihrer „rost-affinen Freunde“ bei. Dabei kommt es nicht auf Perfektion und maximale Unversehrtheit von Blechkleid und Innenleben an. Die heutigen Oldtimer-Fans „akzeptieren“ auch Kratzer und Dellen und den kleinen Riss im Armaturenträger durch jahrzehntelange Sonneneinstrahlung. Doch egal zu welcher Fraktion man sich zugehörig fühlt, die Vorteile des H-Kennzeichens helfen dem 2.500 Euro teuren Ford Fiesta von 1982 ebenso, wie dem wie aus dem Ei gepellten Porsche 911 RS im perfekten „Auslieferungszustand“ im Wert von über 100.000 Euro.

H = Auflagen und Vorteile

Prüfender Blick: Oldtimergutachten sind Voraussetzung für das H-Kennzeichen. © TÜV Rheinland AG

H = Auflagen und Vorteile

Fahrzeuge mit dem H-Kennzeichen genießen eine Reihe von Vergünstigungen, beispielsweise bei der einheitlichen Kfz-Steuer und sie dürfen unabhängig von Schadstoffklasse oder Abgasreinigungssystem – meist fehlt es am Katalysator – auch in Umweltzonen gefahren werden. Auch Versicherungen bieten spezielle, günstige Tarife an, denn Oldtimer werden in der Regel sehr vorsichtig und nur wenige Kilometer bei guten Witterungsbedingungen im Jahr bewegt.

Damit ein Fahrzeug das H-Kennzeichen tragen kann, bedarf es allerdings einer strengen Begutachtung durch Sachverständige oder Prüfingenieure/-innen, beispielsweise bei den TÜV-Gesellschaften oder der Gesellschaft für technische Überwachung (GTÜ). Diese können mit einem Gutachten die Einstufung als Oldtimer nach §23 der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung zum Erhalt des H-Kennzeichens vornehmen. Die Kosten für ein solches Oldtimer-Gutachten können von 80 bis über 200 Euro variieren. Dazu kommen die Gebühren für eine Hauptuntersuchung und die Kosten für die Ummeldung samt neuer Schilder. Insgesamt kostet das „H“ am Ende des Kennzeichens einmalig zwischen 250 und 400 Euro. Danach liegt die Kfz-Steuer pro Jahr pauschal bei 191,73 Euro.

Voraussetzungen für ein H-Kennzeichen

Für ein H-Kennzeichen muss ein angehender Oldtimer in einem guten und originalen Zustand sein. Das Auto darf fachgerecht restauriert sein, darf Gebrauchsspuren und auch Rost haben, aber keine technischen Mängel. Auch zeitgenössische Umbauten, wie etwa die Tieferlegung des Fahrwerks oder Veränderungen am Motor oder Getriebe sind erlaubt. Auch diese müssen fachgerecht durchgeführt worden sein. Also entweder in den ersten zehn Jahren nach Erstzulassung – oder heute so, wie sie damals hätten erfolgen können.

Wer ein Fahrzeug mit dem H-Kennzeichen zulassen möchte, muss neben einer gültigen Hauptuntersuchung und dem Oldtimer-Gutachten auch eine Haftpflichtversicherung nachweisen. Diese gibt es in der Regel nur bei Vorlage des Oldtimer-Gutachtens und einer entsprechenden Werteinschätzung.

Auch der „Papierkram“ ist nicht zu verachten. Nötig sind natürlich ein Fahrzeugschein und -brief (Zulassungsbescheinigung Teil I und II) sowie jegliche Originalunterlagen zu Fahrzeugveränderungen, beispielsweise bei geänderten Rad-Reifen-Kombinationen. Zusammen mit einem Personal- oder Reisepass geht es dann zum Straßenverkehrsamt und zum Schilderdienst. Oldtimer mit dem „H“ können seit 2017 auch saisonal zugelassen werden, also beispielsweise von April bis Oktober. Die kürzeste Nutzungszeit beträgt zwei, die maximale elf Monate im Jahr.

Besonders bei „jungen Oldies“ mit kleinvolumigen Motoren und G-Kat heißt es manchmal gut rechnen, ob eine konventionelle Hubraumbesteuerung nicht günstiger ausfällt, als die pauschalen 191,73 Euro. Denn auch diese Fahrzeuge dürfen mit einer grünen Plakette die Umweltzonen befahren.

 

Fünf Zustandsklassen

Für die Bewertung von Oldtimern werden einheitlich vier Fahrzeugkomponenten einbezogen: Unterboden, Motorenraum, Innenraum sowie Lackierung. Für diese Komponenten werden von den Prüfern einzeln Noten vergeben. Aus diesen Zustandsnoten ergibt sich dann die Gesamtzustandsnote, auf deren Basis der Fahrzeug-Marktwert (Vermögenswert) bestimmt wird.

Note 1: Fahrzeuge mit der Note 1 befinden sich nahezu im Auslieferungszustand, sind fast makellos. Die Fahrzeugtechnik weist keinerlei Mängel auf, die Optik zeigt sich in einem perfekten Erhaltungszustand und die gesamte Historie des Fahrzeugs ist komplett und nachvollziehbar. Diese Note ist sehr selten anzutreffen und meistens auf den Kreis hochpreisiger Fahrzeuge mit geplanter Wertsteigerung limitiert. Der Aufwand, diese Note zu erreichen, ist enorm.

Note 2: Die Note 2 attestiert einen guten, mängelfreien Zustand mit wenigen und leichten Gebrauchsspuren. Auch hier ist der Originalzustand wichtig, alle Reparaturen und Veränderungen müssen fachgerecht durchgeführt wurden sein. Der Aufwand für Restaurierungen kann auch hier sehr schnell sehr teuer werden, wenn es beispielsweise größere Probleme mit Rost an tragenden Teilen gibt oder es an Originalteilen fehlt.

Note 3: Die Note 3 wird an Fahrzeuge vergeben, die sich in einem gebrauchten Zustand mit altersgerechten Spuren vergeben. Kleinere Mängel werden akzeptiert, jedoch keine Durchrostungen. Auch müssen die Fahrzeuge voll funktionstüchtig sein. Hier findet man viele sogenannte „Daily-Driver“, also Fahrzeuge, die oft genutzt werden, aber auch entsprechend gewartet und gepflegt werden.

Note 4: Oldtimer, die sich augenscheinlich in einem verbrauchten Zustand befinden, eventuell nur bedingt fahrbereit sind, finden sich in der Note 4 wieder. Hier sind Arbeiten notwendig, beispielsweise an leichten bis mittleren Durchrostungen. Dahinter verbergen sich oftmals „Scheunenfunde“, die ohne entsprechende Fachkenntnis zum „Groschengrab“ werden können.

Note 5: Im Notenbereich 5 sind Oldtimer zu finden, die zwar noch restaurierbar sind, aber nur mit großem Aufwand. Sie sind nicht fahrbereit, teilweise zerlegt und es fehlen Teile. Hier muss die „Liebhaberei“ schon sehr groß sein oder ein absoluter Exot mit großem Potential vor einem stehen. Bei Golf, Kadett & Co ist hier das Oldtimerleben meist beendet.

 

Fazit:

Die Zahl der Oldtimer auf deutschen Straßen wächst ständig. Großen Anteil daran hat sicherlich das H-Kennzeichen. Die laufenden Kosten für Kfz-Steuer und Versicherung sind erschwinglich und gut planbar. Aber auch der Blick auf die automobilen Zeitzeugen hat sich geändert. Es geht nicht mehr nur um Rendite und Makellosigkeit. Die Zahl der Liebhaber von erhaltenswerten und bezahlbaren Fahrzeugen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Auch viele Prüforganisationen und Sachverständige sehen heute mit anderen Augen auf die „Patina“ der historischen Autos. „Ehrlich, aber nicht perfekt“ – dieses Motto gewinnt an Bedeutung. Und das ist gut so, rettet es doch manches Fahrzeug vor dem Schrottplatz. Dennoch will jeder Kauf gut überlegt sein. Gerade bei exotischen Fahrzeugen, sind die eigenen Budgetgrenzen schnell überschritten. Hilfe und Rat geben neben TÜV, GTÜ, ADAC & Co. auch viele Oldtimer-Clubs und Fan-Foren im Internet. Es muss ja nicht immer ein W 123 vom Bergdoktor sein. Warum nicht mal beim Stammtisch des Kadett-D-Clubs vorbeischauen und Gleichgesinnte (Baby-Boomer) treffen …

 

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In Dortmund gibt es ein ganz besonderes Oldtimermuseum. Wir haben es besucht, hier gibt es den entsprechenden Artikel.

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