Innovation & Arbeit
Bioingenieure
Annalena Sommer und Marius Grad studieren im Master Biotechnologie und forschen schon im Studium mit an den Stoffen der Zukunft. Foto: Thorsten Mohr, Universität des Saarlandes
29.07.2024
Artikel zum Hören 07:01 Min.
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Revolution im Reagenzglas: Wie junge Forschende mit Biotechnologie dem Erdöl den Kampf ansagen

In Zeiten, in denen der Ruf nach mehr Klimaschutz lauter denn je wird, steigen die globalen CO2-Emissionen ungebremst an. Fossile Brennstoffe dominieren nach wie vor den Energiemarkt und stecken in vielen Produkten des täglichen Lebens. Doch an der Universität des Saarlandes wird an revolutionären Alternativen gearbeitet: Annalena Sommer und Marius Grad, zwei Masterstudenten der Biotechnologie, stellen sich der Herausforderung, nachhaltige Lösungen zu entwickeln – unter anderem Kunststoffe aus Holzabfällen.

Stellen Sie sich vor, ein herkömmlicher Kunststoffbecher, der nach einmaligem Gebrauch Hunderte von Jahren in unserer Umwelt überdauert, könnte durch etwas ersetzt werden, das genauso funktional ist, aber bei der Entsorgung vollständig biologisch abbaubar. Genau an solchen Innovationen arbeitet das Team um Annalena Sommer und Marius Grad an der Universität des Saarlandes. „Die Biotechnologie bietet enorme Möglichkeiten, unsere Industrie nachhaltiger zu gestalten“, sagt Annalena Sommer. Sie und ihr Kommilitone sind Teil eines engagierten Forschungsteams, das sich unter der Leitung von Professor Christoph Wittmann darauf konzentriert, schädliche Materialien durch umweltfreundliche, biobasierte Alternativen zu ersetzen.

Ihre Projekte reichen von neuartigen Verpackungsmaterialien, die in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden könnten, über biologisch abbaubare medizinische Implantate bis hin zu umweltverträglichen Chemikalien, die in verschiedensten industriellen Prozessen zum Einsatz kommen. Diese Vielfalt unterstreicht das transformative Potenzial der Biotechnologie in vielen Bereichen unserer Wirtschaft.

Die Dringlichkeit, solche Alternativen zu entwickeln, wird durch globale Herausforderungen noch verstärkt. „Die Kosten für fossile Rohstoffe wie Öl und Gas sind durch externe Faktoren wie den Konflikt in der Ukraine gestiegen“, fügt Marius Grad hinzu. Diese Preissteigerungen machen deutlich, wie abhängig unsere moderne Wirtschaft noch immer von fossilen Brennstoffen ist und welchen Einfluss geopolitische Unruhen haben können. Vor diesem Hintergrund bieten biotechnologische Lösungen eine doppelte Dividende: Sie reduzieren nicht nur unsere Umweltbelastungen, sondern können auch in Zeiten geopolitischer und wirtschaftlicher Unsicherheit zur wirtschaftlichen Stabilität beitragen. Das macht biotechnologische Alternativen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch immer attraktiver für die Zukunft.

Von der Theorie zur Praxis: Biotechnologie in Aktion

Von der Theorie zur Praxis: Biotechnologie in Aktion

Am Institut für Biotechnologie der Universität des Saarlandes wird die Kluft zwischen Theorie und Praxis gekonnt überbrückt. Die beiden engagierten Masterstudenten Annalena Sommer und Marius Grad erleben dies täglich. Neben umfangreichen Vorlesungen, die fundiertes Wissen über genetische Mechanismen, biochemische Prozesse und industrielle Anwendungen der Biotechnologie vermitteln, sind sie aktiv in Forschungsprojekte eingebunden, die das theoretisch Erlernte direkt in praktische Lösungen umsetzen.

Ein besonders spannendes Projekt beschäftigt sich mit dem Einsatz von Bakterien zur Herstellung spezieller Enzyme. Enzyme sind Proteine, die als Biokatalysatoren wirken – das heißt, sie beschleunigen chemische Reaktionen in lebenden Organismen, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. Diese Enzyme sind in der Lage, bestimmte Reaktionen zu katalysieren, die normalerweise in petrochemischen Prozessen ablaufen, d.h. in industriellen Verfahren, die Erdöl als Basis verwenden.

In der chemischen Industrie gibt es interessante Fortschritte durch den Einsatz der Biotechnologie, die es ermöglicht, erdölbasierte Produkte durch umweltfreundlichere Alternativen zu ersetzen. Und so wird es gemacht: Forschende verändern Bakterien mit gentechnischen Methoden so weit, dass sie spezielle Eiweißstoffe, sogenannte Enzyme, herstellen. Diese Enzyme können dann chemische Reaktionen durchführen, die ähnliche Ergebnisse liefern, wie sie normalerweise mit Erdöl erzielt werden.

Ein praktisches Beispiel ist die Herstellung von biobasierten Kunststoffen. Anstelle von Erdöl verwenden die Forschenden die von Bakterien produzierten Enzyme, um die notwendigen chemischen Bausteine zu erzeugen. Diese Bausteine lassen sich dann zu Kunststoffen verarbeiten, die biologisch abbaubar sind. Ähnlich verhält es sich bei der Herstellung von pharmazeutischen Wirkstoffen, die bisher aus Erdöl gewonnen wurden. Diese wichtigen Medikamente lassen sich nun mit biotechnologischen Verfahren umweltschonender und nachhaltiger herstellen.

Einzigartiges wissenschaftliches Umfeld

Die Universität des Saarlandes liegt inmitten des Stadtwalds und bietet etwa 17.000 Studierenden rund 150 verschiedene Studienfächer an sechs Fakultäten.

Einzigartiges wissenschaftliches Umfeld

Das Forschungsumfeld in Saarbrücken wird von Studierenden und Professoren als bundesweit einzigartig beschrieben. Während die Universität des Saarlandes selbst bereits ein Zentrum innovativer wissenschaftlicher Arbeit ist, wird das akademische Angebot durch die Nähe zu zahlreichen externen Forschungseinrichtungen wie dem Fraunhofer-Institut und dem Helmholtz-Institut erheblich erweitert. Diese Institute sind nicht nur in ihren jeweiligen Fachgebieten hoch angesehen, sondern bringen auch wertvolle Praxiserfahrungen in die akademische Ausbildung ein, die es den Studierenden ermöglichen, die Anwendung der Theorie in der realen Welt zu sehen und selbst daran mitzuwirken.

Marius Grad betont die Vorteile dieser einzigartigen Konstellation: „Hier in Saarbrücken können wir aus erster Hand erfahren, wie biotechnologische Forschung in verschiedenen Umgebungen abläuft – von der Grundlagenforschung bis hin zur Anwendung in der Industrie. Das bietet uns Studierenden unvergleichliche Möglichkeiten, verschiedene Aspekte der Biotechnologie in der Praxis zu erleben und unser Wissen in realen Projekten zu erproben.“

Professor Christoph Wittmann, der viele dieser Kooperationen koordiniert, weist darauf hin, wie wichtig diese Vernetzung für die Ausbildung effektiver Forschenden ist. Besonders hebt er die individuelle Förderung der Studierenden in Saarbrücken hervor. Durch das familiäre Umfeld und die intensive Betreuung, die an der Universität und den angeschlossenen Instituten gelebt wird, entstehen optimale Bedingungen für die Entwicklung junger Wissenschaftlerinnen und -schaftler. „Unsere Studierenden profitieren enorm von der engen Zusammenarbeit mit führenden Wissenschaftlern und der Möglichkeit, an vorderster Front der Forschung mitzuarbeiten. Dieser enge Austausch fördert nicht nur ihr Fachwissen, sondern bereitet sie auch optimal auf zukünftige Herausforderungen in Wissenschaft oder Industrie vor“, erklärt Wittmann.

Zukunftspläne der Biotechnologie-Pioniere

Zukunftspläne der Biotechnologie-Pioniere

Marius Grad und Annalena Sommer stehen kurz vor dem Abschluss ihres Masterstudiums. Während Marius Grad seine Promotion bereits in Saarbrücken plant, denkt auch Annalena Sommer über eine Promotion nach. Ihre Ambitionen für eine wissenschaftliche Karriere sind stark von den Erfahrungen und Kenntnissen geprägt, die sie während ihres Studiums sammeln konnten. Beide haben während ihres Studiums nicht nur fachliche Expertise erworben, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen und Chancen entwickelt, die in ihrem jeweiligen Forschungsgebiet liegen. Sie sind fest entschlossen, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten einzusetzen, um innovative Lösungen zu entwickeln, die dazu beitragen, globale Umweltprobleme anzugehen und eine nachhaltigere Zukunft zu gestalten. Damit zeigt sich: In Saarbrücken wird nicht nur Wissen vermittelt, sondern aktiv an der Gestaltung einer besseren Welt gearbeitet, und Annalena Sommer und Marius Grad spielen dabei eine entscheidende Rolle.

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