Mobilität & Verkehr
Computer hinter dem Lenkrad
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Computer hinter dem Lenkrad

Autonomes Fahren verspricht eine Zukunft, in der Verkehr sicherer, umweltfreundlicher und effizienter gestaltet werden kann. Doch wie weit ist Deutschland in der Entwicklung des autonomen Fahrens wirklich? Wie wird es die Gesellschaft beeinflussen? Welche Herausforderungen und Hindernisse gibt es bei der Regulierung und Einführung des autonomen Fahrens? Wir klären auf.

Autos, die selbstständig von A nach B fahren, während die Passagiere arbeiten oder sich einfach entspannen. Ein Traum für viele. Tatsächlich arbeiten weltweit Fachleute aus den unterschiedlichsten Disziplinen daran, dass aus diesem Traum Wirklichkeit wird. Auch hierzulande. Die Geschichte des autonomen Fahrens in Deutschland reicht bis in die 1990er Jahre zurück. Damals wurden erste Forschungsprojekte in diesem Bereich gestartet. Knackpunkt: die Technik. Computer waren damals noch nicht Ieistungsfähig, zu groß und zu teuer. Viele notwendige Technologien im Bereich der Sensoren befanden sich noch im Laborstatus. Doch mit der Weiterentwicklung der notwendigen Technik startete auch das autonome Fahren in Deutschland durch. Nur einige Beispiele aus der Menge der Projekte. Der Ingolstädter Autohersteller Audi präsentierte im Jahr 2014 seinen A7 Piloted Driving Concept. Ein Auto, das selbst fuhr und den Fahrer zum Beifahrer machte. Auf Basis dieses ersten Versuchswagens stellte Audi in den nachfolgenden Jahren immer wieder neue Konzeptideen vor. Genau wie die anderen deutschen Hersteller BMW, Mercedes, Opel und VW auch. Zu kaufen gibt es sie freilich noch nicht. Allerdings haben etliche Fahrerassistenzsystem aus diesen Prototypen und Show-Cars Einzug in herkömmliche Fahrzeuge gehalten. So sind beispielsweise Fahrspur- und Bremsassistenten genau wie Abstandwarner heute Standards in modernen Fahrzeugen.

 

Autobahn als Technologietreiber

Auch der Bund erkannte die Wichtigkeit des autonomen Fahrens für den Wissenschaftsstandort Deutschland. 2016 startete das heutige Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) das Projekt „Autobahn 4.0“. Ziel des Projekts ist es, die Entwicklung von Technologien für autonomes Fahren auf deutschen Autobahnen zu beschleunigen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass autonome Fahrzeuge auf deutschen Autobahnen sicher und effizient unterwegs sein können. Dazu gehört die Entwicklung von Technologien, die dem Auto ermöglichen, seine Umgebung zu erfassen und zu verstehen. Ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist die Durchführung von Testfahrten auf deutschen Autobahnen, um die Technologien im realen Verkehr zu testen und potenzielle Fehler und Herausforderungen zu identifizieren.

 

Wissen schaffen und umsetzen

Fast alle deutschen Universitäten beschäftigten sich auf die eine oder andere Art und Weise mit dem Thema autonomes Fahren. Das Institut für Kraftfahrzeuge (ika) an der RWTH Aachen University ist eines der führenden Institute in Deutschland im Bereich der Entwicklung von automatisierten und autonomen Fahrzeugen. Es arbeitet eng mit Automobilherstellern, Zulieferern und anderen akademischen Institutionen zusammen und hat einen starken Fokus auf praxisorientierter Forschung. Dazu gehören die Verwendung von Kameras, Lidar (Reichweitenmessung mittels Laser), Radar und anderen Sensoren, die es dem Fahrzeug ermöglichen, seine Umgebung zu erfassen und zu verstehen. Und somit die Verkehrssicherheit zu erhöhen und Unfälle zu vermeiden. Das ika arbeitet auch an der Entwicklung von Algorithmen, mit denen das Fahrzeug die erfassten Daten verarbeiten und reagieren kann. Dazu nutzen die Forschenden des Instituts eine Vielzahl von Testfahrzeugen und Simulationsumgebungen, in der sich diese Technologien in realitätsnahen Szenarien testen lassen.

„Autonomes Fahren ist eine der größten Herausforderungen der Automobilindustrie und eine der wichtigsten Zukunftstechnologien“, sagt Timo Woopen M. Sc., Forschungsbereichsleiter Fahrzeugintelligenz und Automatisiertes Fahren am ika. „Wir arbeiten eng mit Automobilherstellern, Zulieferern und akademischen Institutionen zusammen, um nicht nur die Technologie zu entwickeln, sondern auch zu zeigen, wie sie sich in der Praxis einsetzen lässt.“ Ziel sei es, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und die Umweltbelastung zu reduzieren, indem die Technologie für automatisierte und autonome Fahrzeuge weiterentwickelt werde.

Eine Plattform, verschiedene Anwendungen

Im Projekt UNICARagil unter der Federführung der RWTH Aachen entstehen selbstfahrende Plattformen für unterschiedliche Einsätze. © UNICARagil: ika, RWTH Aachen

Eine Plattform, verschiedene Anwendungen

Unter den vielen Forschungsprojekten der Aachener im Bereich des automatisierten und autonomen Fahrens sticht das Projekt UNICARagil heraus. Und dies aus gleich mehreren Gründen. Erstens arbeiten die Aachener hier mit sieben weiteren deutschen Hochschulen zusammen, darunter die TU Braunschweig und München. Zweitens sind ebenfalls wichtige Unternehmen aus der Fahrzeugindustrie eingebunden, darunter Schaeffler und Valeo. Und drittens ist das Projekt doppelt zukunftsorientiert – es integriert in den fahrerlosen Ansatz das Thema Elektromobilität.
Das autoTAXI auf einer seiner vielen Testfahrten. © UNICARagil: ika, RWTH Aachen
Geforscht wird im Projekt an einem Fahrzeugkonzept, das aus Nutz- und Antriebseinheit besteht. Dieses Fahrzeug soll sich dabei an die vielfältigsten Anwendungsfälle in Logistik und Personentransport anpassen. Vor allem dort, wo der Einsatz fahrerloser und emissionsfreier Fahrzeuge sinnvoll ist. Kernelement der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ist die funktionale Fahrzeugarchitektur, die mit der Cloud, der Straßeninfrastruktur und einer Sensordrohne vernetzt ist. Weitere Schwerpunkte liegen in der Entwicklung generischer Sensormodule für die Umfelderfassung, einer flexibel erweiterbaren und updatefähigen Software- und Hardware-Architektur sowie innovativer Dynamikmodule, die völlig neue Bewegungsformen im Straßenverkehr erlauben. „In UNICARagil ist es uns erstmalig gelungen, die forschungsstärksten deutschen Universitäten im automatisierten und elektrischen Fahren sowie ausgewählte, hochinnovative Unternehmen in einem Projektkonsortium zu vereinen“, sagt Prof. Dr. Lutz Eckstein, Leiter des ika und Gesamtkoordinator des Projekts. „Mit Unterstützung des BMBF wollen wir einen substanziellen und nachhaltigen Beitrag dazu leisten, dass auch die Wiege zukünftiger Automobilgenerationen in Deutschland stehen wird“, so Eckstein weiter.

Dass die Aachener und ihre Partner es ernst nehmen, zeigt sich auf dem Parkplatz am Institut – denn dort stehen bereits vier unterschiedliche Fahrzeugmodelle, die im Rahmen des Projektes entstanden. Jedes für einen bestimmten Bereich der Nutzung ausgelegt. Allen gemeinsam ist die Technologie unter der Haube und der Look wie aus einem Science-Fiction-Film. Wie das aussieht, wenn einer der Prototypen unterwegs ist, zeigt das Video unten. Zu sehen ist, wie das autoTAXI allein über die Teststrecke fährt. Noch in mäßiger Geschwindigkeit, aber wir stehen ja auch erst am Anfang der Technologie.

Vom Projekt in den Markt

Eines der vielen Testfahrzeuge von Waymo unterwegs in den USA. Sehr schön erkennbar die vielen Sensoren auf dem Dach und an der Fahrzeugfront. © Waymo

Vom Projekt in den Markt

Fast alle Autohersteller widmen sich dem Thema autonomes Fahren und investieren Zeit und Ressourcen in die Entwicklung der entsprechenden Technologie und Plattformen. Dabei sind die Ansätze manchmal recht unterschiedlich. Nachstehend eine kleine und nicht vollständige Aufzählung, was Autohersteller in diesem Feld treiben.

BMW hat angekündigt, dass alle seine Modelle bis 2025 über autonome Fahrfunktionen verfügen werden. Das Unternehmen arbeitet auch eng mit anderen Autoherstellern und Zulieferern zusammen, um die Technologie zu entwickeln.

Ford hat das „Ford Autonomous Vehicle Development Program“ ins Leben gerufen, das sich auf die Entwicklung von Technologien für autonomes Fahren konzentriert. Das Unternehmen hat auch Partnerschaften mit Unternehmen wie Velodyne Lidar und Argo AI geschlossen, um die Entwicklung von Technologien für autonomes Fahren zu beschleunigen.

General Motors (GM) hat eine eigene Tochtergesellschaft, Cruise Automation, die die Entwicklung von autonomen Fahrzeugen vorantreibt. Das Unternehmen hat bereits erfolgreich Testfahrten durchgeführt und arbeitet eng mit anderen Autoherstellern und Zulieferern zusammen, um die Technologie zu entwickeln.

Google hat ein eigenes Projekt namens WaymoTM, das sich mit der Entwicklung von autonomen Fahrzeugen beschäftigt (siehe auch Bild links). Das Unternehmen hat bereits erfolgreich Testfahrten durchgeführt und arbeitet eng mit Automobilherstellern zusammen, um die Technologie auf den Markt zu bringen. Gerade von Google erwarten Experten, dass die Verknüpfung der Fahrzeuge mit den Daten aus dem Internet besonders gut klappt. Auch, weil Google besonders stark auf Künstliche Intelligenz in anderen Bereichen des Unternehmens setzt.

Mercedes-Benz arbeitet an der Entwicklung von autonomen Fahrzeugen und hat bereits einige Modelle auf den Markt gebracht, die über fortgeschrittene Fahrerassistenzsysteme verfügen.

Teslas Fahrzeuge verfügen bereits in einem großen Maße über fortgeschrittene Fahrerassistenzsysteme.

Es zeigt sich: Fast alle Autohersteller arbeiten an Technologien, die auf das Autofahren ohne menschlichen Fahrer abzielen. Die Vorstufe ist der Einsatz von Fahrerassistenzsystemen. Diese Technologien sind der Schlüssel, um das Auto ohne Fahrer in die Realität umzusetzen. Das rasante Wachstum auf dem Gebiet zeigt, dass wir einige interessante Entwicklungen erwarten können.

Eine Revolution auch neben der Straße

Wie bereits erwähnt: Autonomes Fahren hat das Potenzial, die Verkehrssicherheit erheblich zu verbessern. Durch die Verwendung von Kameras und Sensoren können autonome Fahrzeuge potenzielle Gefahren frühzeitig erkennen und reagieren. Dadurch lässt sich die Zahl von Unfällen und Verletzungen auf den Straßen reduzieren. Autonomes Fahren kann auch Auswirkungen auf die Umwelt haben. Durch die Optimierung von Routen und die Verringerung von Staus lässt sich der Treibstoffverbrauch und die Emissionen von Autos verringern. Auch die Möglichkeit von Car-Sharing und öffentlichem Verkehr, die durch das autonome Fahren erleichtert werden, tragen zu einer nachhaltigeren Mobilität bei.

Es gibt aber auch Schattenseiten. Nicht auszuschließen ist, dass autonomes Fahren Auswirkungen auf die Arbeitsplätze im Verkehrssektor haben wird. Der Einsatz von autonomen Fahrzeugen kann dazu führen, dass weniger Fahrer für Busse und Lkw benötigt werden, da diese selbst unterwegs sind. Auf der anderen Seite werden im Moment händeringend Bus- und Lkw-Fahrer gesucht. Hier könnten autonome Fahrzeuge also den Fachkräftemangel ausgleichen. Sicher ist, dass mehr Arbeitsplätze im Bereich der Entwicklung und Wartung von Technologien für autonomes Fahren entstehen.

 

Noch ein weiter Weg

Autonomes Fahren klingt wie ein großer Traum. Auf der einen Seite die Vorstellung, dass unser Auto uns ganz von alleine zur Arbeit fährt, während wir in Ruhe frühstücken oder während der Fahrt produktiv arbeiten können. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch ernste Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und des Datenschutzes. Zweifellos schreitet die Technologie für autonomes Fahren rasch voran. Aber es gibt immer noch viele Herausforderungen, die gelöst werden müssen, bevor wir uns wirklich in vollständig autonomen Fahrzeugen fortbewegen können.

Herausforderungen auf technischer Seite wie auf rechtlicher Seite. Wie wird beispielsweise ein Unfall zwischen einem normalen Fahrzeug und einem autonomen Fahrzeug zu bewerten sein? Daher ist es wichtig, dass die Regulierungen und Gesetze, die die Verwendung von autonomen Fahrzeugen regeln, sorgfältig erarbeitet werden. Sie müssen sicherstellen, dass sich die Technologie sicher und effektiv einsetzen lässt. Eins ist aber sicher: Autonom fahrende Autos werden kommen. Aber eben nicht morgen oder übermorgen.

 

Unser Lesetipp:
In Aachen entstehen nicht nur führerlose Autos, sondern auch E-Autos einer neuen Generation. Wir haben die Macher besucht. Lesen Sie den Bericht über die etwas anderen Fahrzeuge hier.

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