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Spargelkisten
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Eine Frage der Herkunft: Spargel im Heimat-Check

Wenn sich seine wohlschmeckenden Spitzen im Frühjahr Richtung Sonne strecken, greift so mancher Liebhaber gerne tief ins Portemonnaie. Die feinsten Vertreter seiner Zunft gehen dann in den ersten Erntewochen beim Erzeuger regelmäßig für 15 bis 20 Euro pro Kilogramm über die (Hof-)Ladentheke. Die Rede ist natürlich vom Spargel. Wohlgemerkt vom „Spargel aus deutschen Landen“. Denn allein dieses Versprechen, dieses „Made in Germany“, lässt bei Spargelfreunden die Herzen höherschlagen.

Doch kommt das wohlschmeckende Gemüse wirklich immer vom deutschen Acker? Oder befinden sich am Anfang und am Ende jeder Spargel-Saison „Plagiate“ aus Griechenland oder aus Polen unter dem Edelgemüse? Und wenn ja, woran kann man die „Blender“ erkennen.

Die jährliche Spargelernte startet in Deutschland mit wenigen Ausnahmen Anfang/Mitte April und endet traditionell am 24. Juni – ein eiserner Grundsatz für alle Landwirte. Denn die Anbauflächen brauchen danach Zeit zur Regeneration. Deutscher Spargel, der vorher auf den Markt kommt, stammt überwiegend aus Anbau auf beheizten Flächen, beispielsweise im Umfeld großer Heizkraftwerke (Fernwärme). Laut dem Marktforschungsportal statista gibt es in Deutschland etwa 1.500 Betriebe im Spargelanbau. Hauptanbaugebiete sind dabei vor allem Niedersachsen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen.

Die regelmäßig hohe Nachfrage und der damit zu erwartende Profit nähren Jahr für Jahr aber auch die Gerüchte, ob denn „das Reinheitsgebot“ beim deutschen Spargel befolgt wird oder ob der ein oder andere „Bösewicht“ einfach mal nach Spanien oder Griechenland fährt, um dort den Spargel für drei Euro das Kilo zu kaufen und ihn hier als „Made in Germany“ für mehr als das Fünffache weiterzuverkaufen.

Auf Spurensuche mit Hightech

Dr. Markus Boner, Geschäftsführer Agroisolab, und sein Team testen mit modernsten Analysegeräten Lebensmittel auf ihre wahre Herkunft.

Auf Spurensuche mit Hightech

Dr. Markus Boner hat diese Bedenken schon oft gehört und kennt eine zweifelsfreie Lösung. Der studierte Lebensmittelchemiker und sein Team vom Labor Agroisolab bei Jülich testen mit aufwändigen Verfahren und modernsten Analysegeräten Lebensmittel zuverlässig auf ihre wahre Herkunft – und zwar egal, wo sie auf der Welt angebaut wurden. „Alle organischen Materialien, also auch alle pflanzlichen und tierischen Rohstoffe, lassen sich rein analytisch mittels Isotopenanalyse auf ihre geografische Herkunft überprüfen“, erklärt Dr. Boner, der als Geschäftsführer Agroisolab seit vielen Jahren leitet. „Dies ermöglicht eine von Dokumenten unabhängige Rückverfolgbarkeit. Ob der Spargel aus Deutschland oder Griechenland, das Steak aus Argentinien oder England oder das Holz aus Skandinavien oder Russland stammt, lässt sich in unserem Labor anhand einer kleinen Produktprobe bestimmen.“ Doch was verbirgt sich eigentlich hinter einer Isotopen-Analyse?

Isotoper Fingerabdruck

Die Isotopen-Analyse, die korrekt Stabil-Isotopen-Analyse heißt, nutzt die Tatsache aus, dass jedes organische Material auf der Erde aus chemischen Elementen besteht. Elemente wie Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Schwefel bestehen aus mehr als einem stabilen Isotop und bilden den Hauptteil jeglicher Biomasse. „Das bedeutet, dass alle Pflanzen und Tiere sowie die daraus hergestellten Produkte, aber auch Wasser und selbst wir Menschen natürlicherweise aus Isotopen bestehen“, so Dr. Boner. „Die isotope Zusammensetzung variiert aber von Ort zu Ort auf der Welt, da die Biomasse jeweils aus dem Material der Umgebung gebildet wird. Einfach ausgedrückt haben Pflanzen, Tiere und Menschen eine Art natürliche Markierung, den so genannten „isotopen Fingerabdruck“. Und dieser Fingerabdruck ermöglicht die Rückverfolgbarkeit von organischem Material zum ursprünglichen Herkunftsort.“ Stellt sich die Frage, warum es weltweit so große Unterschiede gibt? Ist die Zusammensetzung von Wasser, was letztlich von den Pflanzen aufgenommen wird, nicht überall gleich auf der Welt?

Wasser und Erdreich als regionaler Faktor

„Wasser folgt in verdunsteter Form den Bewegungen der großen Luftmassen und verändert ständig durch Abregnen und erneutes Verdunsten seine isotope Zusammensetzung. Aufgrund dieser Tatsache ergibt sich für jede Region der Erde ein spezifischer Isotopenwert, der sich in Pflanzen und in allen wasserhaltigen Produkten nachweisen lässt“, erklärt Dr. Boner. In Europa erzeugt die vorherrschende Westwindlage für Regen ein Isotopengefälle von Westen nach Osten, der weltweite Effekt sorgt zusätzlich für eine Abnahme von Süden nach Norden. „Das geografische Isotopenmuster des Wassers ermöglicht uns somit eine genaue Identifizierung der Herkunft wasserhaltiger Produkte, wie etwa beim Gemüse.“ Zudem baut jede Pflanze Stickstoff und Schwefel aus dem Boden in ihre Biomasse ein und spiegelt damit die Gegebenheiten des Ortes wider. Durch das Einbringen von speziellen Düngergaben können die Experten von Agroisolab über ihre Messungen sogar eine kleinräumige, regionale Zuordnung vornehmen.

Die Aufgabe der Tester bei Agroisolab ist die Bestimmung des „Isotopen-Fingerabdrucks“. Dazu müssen die Proben entsprechend vorbereitet werden.

Die Aufgabe der Tester bei Agroisolab ist also einerseits die Bestimmung des „Isotopen-Fingerabdrucks“ der jeweiligen Probe und andererseits „müssen wir die ermittelten Werte mit Referenzdaten aus der ganzen Welt in Abgleich bringen“, so Dr. Boner. Agroisolab, dass bereits 2002 als Isotopenlabor des Forschungszentrums Jülich gegründet wurde, verfügt dazu über weltweite Datenbanken von Isotopen-Referenzwerten. „Wir können mit den entsprechenden Referenzdaten, beispielsweise vom Grundwasser, exakt die geografische Herkunft des Probenmaterials bestimmen und somit zuverlässig Blender bei Obst und Gemüse entlarven.“

Übrigens: Die Isotopen-Analytik wird im Bereich Lebens- und Futtermittel seit vielen Jahren von Industrie, Handel, Verbänden, Zoll und den Behörden der Lebensmittelüberwachung zur Qualitätskontrolle angewendet. Die Analyseergebnisse, die mit speziellen Isotopenverhältnis-Massenspektrometern ermittelt werden, dienen heute auch vor Gericht oftmals als entscheidendes, rechtskräftiges Beweismaterial zur Urteilsfindung.

Fazit: Etikettenschwindel beim deutschen Spargel – ja oder nein

Entwarnung: Die Wahrscheinlichkeit, beim Spargel einem Etikettenschwindel auf den Leim zu gehen, ist sehr klein. Denn nicht nur die Kontrollen der zuständigen Behörden vor Ort zeigen Wirkung. Auch die Qualitätssicherung bei den großen Handelsunternehmen funktioniert. Nur sehr selten und meist lokal begrenzt kommt es beim „Spargel aus deutschen Landen“ zu unerlaubten Beimengungen aus „Zukäufen“ – und wenn überhaupt nur zu Beginn oder am Ende der Saison. Dennoch ist Wachsamkeit nie verkehrt und die bewährten Frische-Ratschläge haben auch heute ihre Gültigkeit. Schließlich handelt es sich beim Spargel um ein sehr sensibles Gemüse, bei dem es sehr auf seine Frische ankommt. Sobald Spargel gestochen ist, verliert er beinahe stündlich an Aroma und Geschmack. Das weiß man auch beim Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL), das allein für das Jahr 2021 in Deutschland von einem pro Kopf Verbrauch von 1,5 Kilogramm frischen Spargels berichtet. Laut BZL „fühlt sich frischer Spargel fest an, hat feuchte Schnittenden und einen geschlossenen Kopf.“ Ist er zusätzlich leicht glänzend, duftet aromatisch und „quietscht“, wenn die Stangen gegeneinander gerieben werden, ist der Weg zu einem köstlichen Essen schon halb geschafft. „Jetzt eingewickelt in ein feuchtes Tuch und ab in den Kühlschrank, hält das Gemüse bis zu drei Tage durch.“ Und von den Isotopen schmecken Sie garantiert nichts!

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Die Technik hilft nicht nur dabei, Spargel aus dem richtigen Land zu finden. Technik ist auch mittlerweile in der Ausbildung unverzichtbar. VR heißt das Schlagwort. Alles dazu finden Sie hier.

Spargel im Heimat-Check
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