Schorfheide-Chorin: Das eiszeitliche Märchen aus 240 Seen und endlosen Buchenwäldern
Schorfheide-Chorin – ein Name, der nach Abenteuer klingt und hält, was er verspricht. Hier trifft Urzeit auf Gegenwart, und Mensch auf Wildnis, ohne dass einer von beiden überhandnimmt. In einem der größten Biosphärenreservate Deutschlands entfaltet sich eine Szene, die zum Staunen, Staunenlassen und Durchatmen einlädt. 129 000 Hektar, geprägt von eiszeitlicher Prägung, hunderten Seen, geheimnisvollen Mooren und ungezähmten Buchenwäldern – ein Universaltheater für Naturenthusiasten, Kulturnostalgiker und Adrenalinjunkies gleichermaßen. Willkommen im großen und wilden Osten.
Auf Spurensuche – die eiszeitliche Signatur
Auf Spurensuche – die eiszeitliche Signatur
Das Fundament dieser Landschaft liegt mehr als 10 000 Jahre zurück, als Gletscher sich zurückzogen und ihre gigantischen Spuren hinterließen. Endmoränen – Hügelketten aus Schutt – prägen das Gelände und bilden eine Art natürlicher Hindernisparcours. Blockfelder, versteckt unter moosbedeckten Kieseln, wirken wie die Überreste eines prähistorischen Spielplatzes. Und über allem schweben die zahlreichen Seen – von abgelegenen Schluchtenmooren gespeist, eisig und klar –, die in flirrenden Lichtreflexen von der Geschichte eines Kontinents kündigen.Vom UNESCO-Welterbe bis zur Lava – Grumsin im Rampenlicht
Vom UNESCO-Welterbe bis zur Lava – Grumsin im Rampenlicht
Mitten im Reservat liegt der Grumsin, ein Buchenwald so naturbelassen, wie man ihn sich nur wünschen kann. Seit 2011 Unesco-Weltnaturerbe, ist er Zeugnis dafür, dass echter Urwald hier nicht Mythensache, sondern Realität ist: Zwischen 150- bis 180-jährige Buchen, dicht gepackt, mit enger Verflechtung älterer und jüngerer Generationen.Ein Spaziergang durch Grumsin fühlt sich an wie eine Wurzel-Expedition: Astwerk, das den Boden überspannt, morsches Holz, das langsam verrottet, Flechten, Moose, Pilze – fast ein eigenständiges Ökosystem im Ökosystem. Dass all das vollkommen ungestört wachsen darf, verleiht dem Biotop seine ungebrochene Magie.
Wasser als Lebensader – über 240 Seen im Netz
Wasser als Lebensader – über 240 Seen im Netz
Schorfheide-Chorin ist gewissermaßen ein riesiges Paddel- und Kahnrevier. Die Seen – Grimnitzsee, Werbellinsee, Parsteiner See, Schlabornsee und viele, viele mehr – schlängeln sich, verbunden durch Kanäle, Flüsse und natürliche Übergänge. Ideal für Paddeltouren, Entdeckungsausflüge und klare Sommerbäder.Der Grimnitzsee etwa eignet sich für ruhige Familienausflüge. Der Werbellinsee dagegen zieht mit seinen steilen Uferhängen. Bootsverleihe, Badestellen und Rastplätze sorgen dafür, dass man sich nicht verläuft – in der Ruhe, aber auch mitten ins Abenteuer. Besonders eindrucksvoll: Ein Sonnenuntergang am See, wenn das Wasser sich rötet und Windlöcher entstehen, wo es still wird.
Artenfast wie im Filmset – selten und bunt
Artenfast wie im Filmset – selten und bunt
Für Ornithologen und Tierfilmer gleicht das Reservat einem Fundus aus seltenen Stars: Uhu sitzt auf Astquerung, Schwarzstorch durchflattert die Lüfte, Fischadler gleiten über das Wasser. Und Kraniche? Mehr als 300 Brutpaare staksen hier jährlich durch sumpfige Landschaften.Doch nicht nur die großen Vögel geben den Ton an: Kreuzottern sonnen sich an versteckten Uferzonen, die Europäische Sumpfschildkröte sonnt sich auf einem Baumstamm, und unter Wasser ziehen Biber und Fischotter ihre Bahnen – Baumeister und Fischvertilger in einem. Das ist ein Anblick, für den es sich lohnt, das Teleobjektiv rauszuholen.
Mensch und Natur im ökologischen Tanz
Mensch und Natur im ökologischen Tanz
Im Gegensatz zu Nationalparks erlaubt das Biosphärenreservat eine nachhaltige Nutzung – ein interaktives Miteinander statt Abschottung. Ökologischer Landbau dominiert bereits über 60 % der Felder. Pestizideinsatz ist die Ausnahme geworden, Hecken und Feldränder bilden grüne Vernetzung – ein agrarisches Modell, das Großeltern stolz macht und Politikvorbilder inspiriert.Materialgerecht gebaut wird ebenso: Fachwerkhäuser, Strohballenbau und Lehmputz setzen lokale Baustoffe in Szene – selbstverständlich in Kombination mit modernen Energiespartechniken. Die ZENAPA-Projekte zeigen eindrucksvoll, dass landwirtschaftliche Nutzung genauso naturnah sein kann wie puhliger Moorboden.
Aktiv ins Reservat – Touren, Trails, Pfade
Aktiv ins Reservat – Touren, Trails, Pfade
Radfahren, Wandern, Paddeln, Reiten – der Naturrausch fordert nur, was die Schuhe und Reifen hergeben. Wer das Reservat erkunden will, lässt sich durch markierte Rundwege führen:- GrimmnitzseeRundweg (14 km): entspannt, familienfreundlich, mit Blick aufs Wasserlandschaft.
- Grünes, Oranges oder Gelbes Buchenblatt (20–25 km): Eldorado für Waldfans, die tief eintauchen wollen – oft ungesehen, sehr still, sehr grün.
- Paddeltour bis zur Oder–Havel-Kanalverbindung: für echte Wasserenthusiasten mit Bootsführerschein.
Ob zu Fuß auf Waldwegen oder mit dem E-Mountainbike über sandige Rückegassen – die Auswahl ist riesig. Und wer im Herbst unterwegs ist, erlebt echte filmreife Lichtstimmungen: Nebelschleier über dem Wasser, knisternde Blätter unter den Sohlen.
Was erwartet man besser von UNESCO? – Fülle statt Seltsamkeit
Was erwartet man besser von UNESCO? – Fülle statt Seltsamkeit
Hätte jemand behauptet, dass ein Gebiet, in dem Landwirtschaft stattfindet, jagt, Holz geschlagen und Landwirtschaft betrieben wird, dennoch ein Naturjuwel sein kann – das widerspricht klassischen Schutzbegriffen, aber nicht dieser Realität. Dort, wo Natur- und Kulturlandschaft fließend ineinander übergehen, entsteht eine Schönheit, die nachhaltiger ist als Stillemonumente: wild, aber mit menschlicher Hand, roh, aber mit Vernunft.Und ja, es gibt Einschränkungen: Jagd findet reguliert statt, weil hoher Baumbestand auch Wildvermehrung bedeutet; Forstarbeit schließt Nestungen aus und schafft Lichtungen – ein Minimalprogramm, um Ausnahmelebensräume zu erhalten.
Technik trifft Natur – moderne Forschung unter Bäumen
Technik trifft Natur – moderne Forschung unter Bäumen
Im Biosphärenreservat wird geforscht. Monitoringstationen messen Populationen samt Softwareunterstützung. Korrespondierende Hubschrauber-Drohnen registrieren Sturmschäden, Wärmebildkameras suchen nach nachtaktiven Arten, und Citizen-Science-Plattformen ermöglichen dem Hobbyweltretter, sich per App zu beteiligen. Dabei geht es nicht nur um Artenzählung – die Daten sollen in die Landwirtschaftsplanung integriert und langfristige Entwicklungen sichtbar machen.Kulinarik trifft Kulturlandschaft
Kulinarik trifft Kulturlandschaft
Die Region schafft es, nicht nur Natur, sondern auch Gaumen zu verwöhnen. Lokale Manufakturen pressen Öle, molken Käse und räuchern Fleisch. Ab Hof oder auf Wochenmärkten ist Regionalität Programm: Buntkartoffeln, Wildbratwürste, Pilze aus dem Forst, Forellen aus dem Wasser. Und wer Glück hat, ergattert Pfifferlinge direkt aus dem Wald.Anreise und Infrastruktur – einfach, aber mit Stil
Anreise und Infrastruktur – einfach, aber mit Stil
Schorfheide klingt wilder, als es ist – Bahnverbindungen aus Ost-Berlin bringen Touristen entspannt ans Ziel. Bahnhöfe wie Angermünde oder Chorin liegen nahe genug am Reservat, dass man mit dem E-Bike oder S-Bahn-Anschluss in kürzester Zeit ins grüne Labyrinth eintritt. Park & Ride ist der Minimalaufwand; Radstationen und Selbstbucher-Unterkünfte vor Ort sorgen dafür, dass man ohne Pendelmissverständnis im Reich der Natur landet.Saisonen im Rhythmus der Natur
Saisonen im Rhythmus der Natur
Frühjahr: Kranichzug, Orchideenblüte, bunte Wiesen.Sommer: Badepausen, warme Nächte unterm Sternenhimmel, Grillenklang.
Herbst: Jägerlatein, Pilzbestände, Nebelstimmung am Wasser.
Winter: Raureif hängt in den Baumwipfeln, Seen frieren zu, das Reservat wird zur stillen Winterlandschaft. Für Fotografen und Eiswanderer gleichermaßen reizvoll.
Fazit – wo Universum und Alltag aufeinandertreffen
Fazit – wo Universum und Alltag aufeinandertreffen
Schorfheide-Chorin ist kein Hybride einer leeren Wildnis, sondern eine pulsierende Symbiose. Eiszeit, Urwald, Moor, Wasser, Land- und Forstwirtschaft – alles findet sich in einem Laufsteg der Natur, mit Synergieeffekten und gemeinsamer Zukunft. Wer hereingeht, darf den Frieden nicht isolieren, aber dafür das wahre Miteinander erleben: ein Lehrstück in ökologischer Nachhaltigkeit, mit Abenteuer, Genuss und Erkenntnis.Lesetipp: Ein weiteres Paradies für Wanderer, Kletterer und alle, die sich von der Natur verzaubern lassen wollen, ist die Sächsische Schweiz. Mehr dazu in unserem Beitrag Die Sächsische Schweiz: Abenteuer zwischen Himmel und Fels.