Freizeit & Reisen
27.11.2025
Artikel zum Hören 06:41 Min.
Lesedauer ca. 8 :00 Min.
27.11.2025
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Die Frau im Park oder Hundetraining einmal anders

Wenn man an Hundetraining denkt, landet man gedanklich irgendwo zwischen Welpenspielkurs, Agility-Parcours und Menschen, die mit unsichtbaren Leckerli-Taschen wedeln wie Fluglotsen am Rollfeld. Was man eher nicht sofort im Kopf hat: eine Hundetrainerin, die ohne fancy Trainingshalle, ohne „Premium-Starter-Package“ und sogar ohne Werbung in der Stadt arbeitet. Und trotzdem scheint es zu funktionieren. Dieser Artikel erzählt die Geschichte einer Frau, die nicht nur Hunde erzieht, sondern eine Haltung vermittelt. Eine Haltung, die in einer Zeit voller schneller Lösungen und digitaler Ratgeber wichtiger erscheint als je zuvor.

Wenn man mit Hundebesitzerinnen und Hundebesitzern aus Brühl und Umgebung spricht, fällt ihr Name oft schon nach wenigen Minuten: Lisa Felder. Hundetrainerin, Ernährungstherapeutin für Hunde, Tierheilpraktikerin – aber vor allem jemand, der ein außergewöhnliches Gespür für Tiere und Menschen besitzt. Sechs Hunde, ein Pferd, eine Familie, ein Haus voller Leben: Bei Lisa wirken diese Dinge nicht wie Herausforderungen, sondern wie organische Teile eines Gesamtkonzepts, das sie leise, aber eindrucksvoll verkörpert. Kein Wunder also, dass sie ihre Hundeschule „EinTeam“ genannt hat.

Lisa arbeitet dort, wo Hunde leben – nicht dort, wo Menschen Trainingsräume mieten: auf öffentlichen Wiesen, Spielplätzen am Rand, Parks, Wegen mit Maulwurfshügeln, und an Orten, die nicht sofort „pädagogisch wertvoll“ aussehen. Sie einfach nur Training „im echten Leben“ zu nennen, wäre allerdings zu wenig. Eher ist es eine Art kontrollierte Gelassenheit im Semi-Chaos, ein Arbeiten mit dem, was gerade passiert: Enten, Jogger, Kinder, E-Scooter, Picknickreste, Windböen, andere Hunde, und gelegentlich ein Mensch, der zufällig alles komplizierter macht.

Ein Morgen, der nach Kaffee riecht, aber nach Pädagogik klingt

Ein Morgen, der nach Kaffee riecht, aber nach Pädagogik klingt

Es ist früher Samstag. Wetter: unentschlossen, aber bemüht. Drei Menschen kommen nacheinander an, jeder mit Hund, jeder mit leicht unterschiedlicher Hoffnung:

  • weniger Ziehen
  • weniger Unsicherheit
  • weniger „ich höre nur, wenn es mir passt“

Ihre Hunde heißen an diesem Morgen nicht wirklich Balou, Luna und Milo, aber sie passen so gut in diese Rollen, dass man ihnen die Namen schon vergibt, bevor der erste Dialog stattfindet. Und mittendrin: Lisa. Mit sechs Hunden im Schlepptau, die aussehen wie ein zufällig perfekt funktionierendes Teamprojekt – jeder mit anderer Energie, aber ohne sichtbaren Konflikt. Ihr Auftreten ist nicht laut. Nicht „alpha“. Nicht „esoterisch“. Eher sachlich, aufmerksam, ohne Hast. Man könnte sagen: eine Mischung aus Draußenpädagogin und Ruhepol-in-Fleecejacke.

Sie beginnt nicht mit Regeln, nicht mit Theorie, nicht mit „Warum wir heute hier sind“. Sie betrachtet erst mal, was da ist. So, als wäre Beobachtung die eigentliche Trainingsmethode.

Wie man einen Park in einen Seminarraum verwandelt – ohne dass es jemand merkt

Wie man einen Park in einen Seminarraum verwandelt – ohne dass es jemand merkt

Eine öffentliche Hundewiese ist kein Trainingsplatz. Sie hat zu viele Variablen:

  • Kinder, die spontan in Zeitlupe rennen
  • Menschen, die denken, „meiner will nur Hallo sagen“ sei eine Entschuldigung
  • Eichhörnchen, die keine Vereinbarungen akzeptieren
  • Spaziergänger, die glauben, „der tut nichts“ sei ein international anerkanntes Sicherheitszertifikat

Genau deshalb mag Lisa diese Orte. „Training muss dort stattfinden, wo das Verhalten später funktionieren soll“, sagt sie beiläufig, als wäre es die einfachste Wahrheit der Welt. Während viele Hundebesitzer versuchen, Ablenkung auszublenden, baut sie sie bewusst ein. Nicht als Prüfung – sondern als Realität.

Die Methode, die keine Show braucht

Die Methode, die keine Show braucht

Ein Detail fällt besonders auf: Lisa erklärt nicht sofort. Sie korrigiert nicht sofort. Sie spricht nicht sofort. Sie beginnt mit Stille. Und Stille ist auf Hundewiesen ungefähr so selten wie jemand, der gerne zum Zahnarzt geht. Die ersten Minuten wirken fast so, als hätte sie vergessen, dass Menschen gerne schnelle Lösungen hätten. Dann merkt man: Es ist Absicht. Hunde dürfen erst zeigen, was sie wirklich tun, nicht das, was sie unter Erwartungsdruck tun. Balou (aka „ich will alles erleben, und zwar jetzt“) zieht zu Beginn, als wolle er gleich drei Lebensziele abarbeiten. Luna (aka „ich weiß nicht, ob ich hier hingehöre“) möchte am liebsten in den Tarnmodus wechseln. Milo (aka „ich arbeite nicht kostenlos“) betrachtet erst mal, ob die Anwesenden überhaupt als Entscheidungsträger taugen.

Keine Kommandos werden gegeben, kein „Und jetzt bitte alle links-um!“. Die Hunde verlangsamen stattdessen irgendwann von selbst. Weil niemand sie antreibt. Weil sich das Rudel von Lisa in Bewegung setzt – ruhig, entschlossen, aber ohne Druck.

Ein Rudel als soziales Navigationssystem

Ein Rudel als soziales Navigationssystem

Lisas eigene Hunde bewegen sich beim so genannten Social Walk – einem gemeinsamen Spaziergang mit Hundetrainerin – so, als hätten sie aus Versehen ein internes Betriebssystem entwickelt, das aggressionsfrei, aber klar programmiert ist.

  • Tessa– wirkt wie eine höfliche Team-Lead-Version ohne PowerPoint, kann aber auch bissig.
  • Bert – der Kollege, der nie nervös wird, egal, was passiert
  • Kalle – freundlich, interessiert, wahrscheinlich mit Humor ausgestattet
  • Bruno – Sicherheitsabteilung ohne Macho-Theater
  • Amy – schweigende Gesprächspartnerin mit hoher emotionaler Trefferquote
  • Puki – neugieriges Nachwuchstalent im Bereich „kontrollierter Unfug“

Es ist beinahe unmöglich, sie nicht zu beobachten. Andere Hunde tun das auch – und orientieren sich automatisch. Nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen. Soziale Regeln erklären sich leise, wenn sie gelebt werden.

Der Moment, in dem nichts passiert – und genau dann alles

Der Moment, in dem nichts passiert – und genau dann alles

Nach etwa 15 Minuten verändert sich die Stimmung – ohne sichtbares Kommando. Balou zieht weniger. Luna versteckt sich nicht mehr. Milo beobachtet konzentrierter als zuvor und hat beschlossen, dass zumindest eine Person heute relevant sein könnte.

Man spürt, dass Lisa nicht nur Trainerin im klassischen Sinn ist, sondern auch Moderatorin eines Dialogs zwischen Lebewesen, die sich anders verständigen als Menschen. Sie gibt selten direkte Anweisungen. Stattdessen unterbricht sie Momente bevor sie kippen. Nicht belehrend, sondern administrativ, fast pragmatisch. Man versteht: Führung entsteht hier nicht durch Druck, sondern durch Übersicht.

Der Dackel, die Szene und die unausgesprochene Verhandlung

Der Dackel, die Szene und die unausgesprochene Verhandlung

Jeder Park-Vormittag hat eine Schlüsselfigur, an die sich später alle erinnern. Heute ist es ein Dackel, der wirkt wie die Miniaturversion eines selbsternannten Club-Bouncers.

Sein Auftritt: aufrecht, selbstbewusst, leicht übermotiviert.
Ziel: Einflussbereich erweitern.
Strategie: Blickkontakt und Körperhaltung, keine Diplomatie.

Er marschiert los – direkt auf die Gruppe zu. Sein Mensch ruft ihn, der Dackel akzeptiert den Ruf als kreativen Vorschlag, aber nicht als Handlungsanweisung. Lisas Rudel reagiert fast wie ein demokratisches System:

  • einer dreht den Kopf weg
  • einer bleibt frontal stehen, aber ohne Spannung
  • einer setzt sich hin
  • einer bewegt sich minimal seitlich
  • keiner eskaliert

Der Dackel bleibt stehen. Manchmal besteht Pädagogik einfach aus nicht erwiderter Provokation. Sein Mensch flüstert leise: „So benimmt er sich sonst nie.“ Ein Satz, der auf Hundewiesen einfach immer gesagt wird.

Training ohne Zwang – aber nicht „Alles ist erlaubt“

Training ohne Zwang – aber nicht „Alles ist erlaubt“

Lisas Stil wirkt nicht permissiv, sprich: Alles ist erlaubt, Hauptsache Harmonie. Sie sagt nicht: „Jeder Hund ist, wie er ist, und alles ist schön.“ So arbeitet sie nicht. Sie arbeitet mehr wie jemand, der sagt: „Wir schauen erst, was da ist, und dann entscheiden wir, was sinnvoll wäre.“ Sie nutzt Körpersprache, Distanz, Nähe, Tempo, Raum. Sie setzt Grenzen – aber so subtil, dass man sie fast übersieht. Keinerlei Dramatik, kein pädagogisches Theater.

Ihre Sätze klingen pragmatisch, nicht missionarisch:

  • „Du gibst den Weg vor, nicht der Hund.“
  • „Wenn Du atmest, hilft es meistens.“
  • „Du musst nicht lauter werden, wenn Du unsicher wirst.“
  • „Wenn der Hund nicht versteht, liegt das Problem selten am Hund.“

Sie sagt das alles ohne Bewertung. Nicht von oben herab. Und vielleicht deshalb hören Menschen zu.

Warum Humor dazugehört

Warum Humor dazugehört

Beim Training mit Lisa muss man kein Comedian sein, aber man wird automatisch gelassener. Denn Hunde sind nicht ungezogen – sie sind einfach konsequent ehrlich.

In einem typischen Training können daher folgende Dinge passieren:

  • ein Hund läuft perfekt – bis ein Blatt raschelt
  • jemand sagt „ich bin entspannt“ mit Stimme auf Fluchtgeschwindigkeit
  • ein Hund setzt sich genau dorthin, wo vorher niemand sitzen wollte
  • jemand versucht, Körpersprache zu erklären, während sein Hund längst eingeschlafen ist

Man lacht, aber freundlich, nicht über jemanden. Sondern miteinander. Humor entsteht, weil Realität selten pädagogisch sauber ist.

Das eigentliche Ziel

Das eigentliche Ziel

Am Ende eines 60-Minuten-Trainings wirkt nichts „fertig“. Und genau das ist Absicht. Es geht nicht um das sofortige Erreichen eines neuen Hundemodus-Updates. Es geht um:

  • Beziehung
  • Selbstwahrnehmung
  • Struktur
  • Alltagstraining
  • Entstressung
  • Orientierung

Wenn man die Wiese wieder verlässt, sieht man vielleicht keine Hollywood-Veränderung. Aber man spürt eine innere Verschiebung: weniger Erwartungen, mehr Verständnis. Und oft lernt man, dass man nicht gegen den Hund arbeiten muss, sondern gegen die eigenen Missverständnisse.

Ein Training, das nicht überzeugen will – und genau dadurch überzeugt

Ein Training, das nicht überzeugen will – und genau dadurch überzeugt

Die größte Überraschung ist vielleicht, dass Lisa gar nicht versucht, jemanden zu beeindrucken. Sie verkauft keine Vision, keinen Trend, keine Heilsformel. Sie hat keine Wand mit Zertifikaten im Hintergrund, sondern Wind im Gesicht und Gras an den Schuhen.

Und am Ende dieses Vormittags versteht man: Manchmal braucht gutes Hundetraining keinen Zaun, keinen Namen auf einem Schild, keinen perfekten Trainingsparcours oder Merchandising. Manchmal braucht es nur einen Park, ein paar Hunde, einen ruhigen Blick – und jemanden, der weiß, dass Verhalten nicht laut besiegt, sondern leise verstanden wird. Es ist Training, das sich nicht wie Training anfühlt. Und vielleicht wirkt es gerade deshalb.

PS: Ein kleiner Nachtrag. Lisa bei ihrer Arbeit bildlich eingefangen hat Monia Meixner. Vielen Dank für die Fotos!

Hörtipp: Wenn Sie Lisa Felder einmal live erleben möchten, empfehlen wir Ihnen unseren Podcast Momente Fokus, wo wir mit der sympathischen Hundetrainerin ein Interview zum Thema „Hunde und Auto“ geführt haben.

Die Frau im Park oder Hundetraining einmal anders
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