Mobilität & Verkehr
E-Auto gebraucht
25.01.2023
Artikel zum Hören 09:43 Min.
Lesedauer ca. 7 :00 Min.
25.01.2023
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E-Autos aus zweiter Hand

Wer auf einen Stromer umsatteln will, der muss geduldig sein. Denn die Wartezeiten für Neufahrzeuge können je nach Marke durchaus ein Jahr und mehr betragen. Da stellt sich manchem Käufer die Frage: Lieber auf das Neufahrzeug lange warten oder doch schnell beim Gebrauchtwagen zugreifen? Worauf man achten sollte und für wen welches Fahrzeug das Richtige ist, erfahren Sie jetzt.

Wer die Wahl hat, hat bekanntlich auch die Qual. Und wenn es dabei auch noch um eine erhebliche Investition geht, wird so mancher Zeitgenosse nachdenklich und vorsichtig. Diese Situation kennen aktuell viele Autofahrerinnen und Autofahrer, wenn es um die Frage geht: Lieber heute ein gebrauchtes und sofort fahrbereites Elektroauto mit der Technik von gestern kaufen oder teilweise über zwölf Monate auf ein Neufahrzeug warten? Vom (wahrscheinlich) unterschiedlich großen Loch im Geldbeutel abgesehen, ist die Antwort denkbar einfach: Es kommt darauf an!

 

1) Es kommt darauf an, für welchen Einsatzzweck das Fahrzeug herhalten soll.

2) Es kommt darauf an, welche Komfort- und Sicherheitsfunktionen benötigt werden.

3) Es kommt darauf an, wie der technische Zustand des gebrauchten E-Autos ist.

 

Gebrauchte Elektroautos richtig checken

Rollen wir das Feld ausnahmsweise von hinten auf und starten bei Punkt 3: „Der technische Zustand des Elektro-Autos.“ Wie bei jedem Gebrauchtfahrzeug gibt es auch bei „den Elektrischen“ eine lange Checkliste, die penibel abzuarbeiten ist. Es gilt die üblichen Bauteile wie Lenkung, Bremsen, Licht und Chassis zu überprüfen und die bekannten Schwachstellen des jeweiligen Fahrzeug-Typs zu checken. Wer es sich zutraut und über das entsprechende Fachwissen verfügt, macht das allein oder mit der Hilfe von unabhängigen Autoexperten, beispielsweise bei TÜV, Dekra, ADAC & Co. Dort gibt es spezielle Gebrauchtwagen-Checks inklusive Testbericht – wenn gewünscht auch gleich mit einer realistischen Einschätzung des Markwertes des untersuchten Autos. Insbesondere beim Kauf von Privat, wenn keine Garantien Bestandteil des Kauf-Paketes sind, ist so ein kritischer Blick auf und unter das Blech enorm wichtig.

So weit, so gut. Das kennt man auch von den konventionell angetriebenen Fahrzeugen.

Unsicherheitsfaktor Akku

Tipp: Ein Akku-Check durch Fachpersonal kostet zwar Geld, ist aber dringend zu empfehlen. © TÜV Rheinland

Unsicherheitsfaktor Akku

Doch es gibt es beim Kauf eines Elektro-Gebrauchtwagens auch besondere Risiken. Und die größten Unsicherheiten betreffen die noch vorhandene Leistungsfähigkeit der betagten Akkus und der weiteren Entwicklung der Restwerte. Denn hier fehlt es im Gegensatz zu Verbrennern an entsprechenden Erfahrungswerten.

Natürlich kann man sich über Wartungsprotokolle der Hersteller-Werkstätten, fahrzeuginterne Messdaten und ein intensives Gespräch mit dem Vorbesitzer einen ersten Eindruck verschaffen. Selbstverständlich ist es auch von großer Bedeutung, wie das Fahrzeug genutzt wurde (Kurz- oder Langstrecke, privat oder gewerblich) und wieviel Ladezyklen erfolgt sind – mal relativ entspannt an der heimischen Steckdose, mal deutlich stärker gestresst durch den regelmäßigen Besuch an Schnellladesäulen. Wer sich aber ein genaues Bild über den Zustand eines der teuersten Bauteile am Elektroauto machen möchte, der kann als Kaufinteressent auch hier auf unabhängige Dienstleister zurückgreifen.

Zwei Beispiele:

„Eine unabhängige Bewertung des ‚State of Health‘ der Traktionsbatterie ist zentral, um den Marktpreis für ein gebrauchtes Elektrofahrzeug zu ermitteln. Deshalb gehört dem Battery Quick Check die Zukunft“, erklärt Dr. Matthias Schubert, als Executive Vice President Mobility weltweit für das Mobilitätsgeschäft von TÜV Rheinland verantwortlich. Den „State of Health“, also den Gesundheitszustand des Akkus, überprüfen die TÜV-Experten zusammen mit ihrem Technologie-Kooperationspartner TWAICE. Die Fachleute nutzen dabei das On-Bord-Diagnose-System (OBD) mit der OBD2- Schnittstelle eines Elektro-Fahrzeugs. „In ungefähr 60 Minuten“, so der TÜV, „werden alle relevanten Daten ausgelesen und mit Hilfe einer speziellen Batterieanalytik verarbeitet.“ Anschließend entsteht daraus ein von TÜV Rheinland zertifizierter, unabhängiger Zustandsreport zur Traktionsbatterie. Wichtig dabei: Der Report über den „Gesundheitszustand“ der Batterie berücksichtigt die individuelle Alterung, unabhängig von Algorithmen des Fahrzeugherstellers. Privatkunden können im Laufe des Jahres 2023 diese Dienstleistung über ihre Autohäuser oder Werkstätten in Anspruch nehmen. Im Moment steckt das System noch in seiner abschließenden Pilotphase.

Über die On-Board-Diagnose lassen sich auch Daten zum Fahrzeug-Akku auslesen. © TÜV Rheinland
Aber auch der ADAC bietet in Kooperation mit dem Partner Aviloo einen herstellerunabhängigen und neutralen Batteriecheck für reine Elektrofahrzeuge, aber auch für Plug-in-Hybride an. Um den Test durchzuführen, wird laut ADAC-Informationen ebenfalls ein Diagnosegerät (Aviloo-Box) über die Diagnoseschnittstelle (OBD) an das Fahrzeug angeschlossen, checkt die Batterie im Rahmen von Alltagsfahrten und sendet die Daten an die Aviloo-Cloud zur Auswertung. „Der Test kann beginnen“, so der ADAC, „wenn das Elektroauto vollgeladen ist. Nun hat der Nutzer sieben Tage Zeit, den Akku bis unter zehn Prozent leerzufahren, ohne dabei zwischenzuladen – selbstverständlich kann die Batterie auch in einem Zug leergefahren werden.“ Währenddessen bleibt der Fahrer in der Web-App und per SMS über den Stand des Tests informiert. Sobald der Batterieladestand unter zehn Prozent fällt, wird der Test automatisch beendet. Nach zwei Tagen, verspricht der ADAC im Internet, bekommt der Kunde das Batteriezertifikat per E-Mail. In diesem wird nicht nur die entnehmbare Energiemenge in Prozent gegenüber dem Neuzustand als maßgebliche Kenngröße angegeben. Auch die Fahrzeuginformationen und die Daten der Messfahrt sind dargestellt.

Wofür brauche ich das Elektroauto

Wichtig zu wissen, bevor das E-Auto gekauft: Wo kann ich meinen zukünftigen Wagen laden? Nicht nur in der Nähe zur Wohnung, sondern auch auf dem Weg zum Büro, beispielsweise an der Raststätte.

Wofür brauche ich das Elektroauto

Neben den persönlichen Wünschen an die Größe, Praktikabilität und Ausstattung des Fahrzeugs, kommen wir zu Punkt 1: Für welchen Einsatzzweck ist das Fahrzeug gedacht. Benötige ich das Fahrzeug für gelegentliche und kurze Wegstrecken in der Stadt? Kann ich auf entsprechende, ortsnahe Ladepunkte zurückgreifen? Oder wohne ich im ländlichen Raum und bin Pendler, der täglich, egal ob bei sommerlicher Hitze oder bei Minustemperaturen im Winter, über 100 Kilometer zu seiner Arbeitsstelle fahren muss? Dann könnte es bei Elektroautos der ersten Generation aufgrund der technischen Voraussetzungen (kleine Akkuleistung, relativ hoher Verbrauch) eng werden. Insbesondere, wenn der Akku seinen Leistungshorizont längst überschritten hat. Dann kommen trotz und gerade bei Minustemperaturen viele Fahrer ans Schwitzen, wenn bereits vor dem Erreichen des Fahrtziels die Prozentanzeige des Akkus in Richtung Null Prozent geht.

Auch die vorhandene Ladeinfrastruktur spielt bei der Anschaffung eines Elektromobils eine Rolle. Die Frage ist simpel: Wie kann ich mein Auto laden? Wohne ich zur Miete in der Großstadt und habe keinen eigenen Ladepunkt? Wenn dem so ist, gibt es dann in der Nähe Ladestellen, die kompatibel mit der Akku-Elektronik alter Elektroautos sind? Und selbst wenn in der heimischen Garage eine entsprechende Wallbox installieren kann, brauchen alte Akkus teils erheblich länger, um wieder vollgeladen zur Verfügung zu stehen. Zu hoffen, dass man mit einem „Software-Update“ viele Probleme lösen kann und näher an die modernen Fahrzeuge heranrücken kann, ist ein kaum erfüllbarer Traum. Moderne Elektro-Fahrzeuge werden ständig auf ihr Lade- und Verbrauchsverhalten, das Gewicht der Komponenten, die Rückgewinnung von Strom beim Bremsen (die so genannte Rekuperation) und der Genauigkeit der internen Messelektronik optimiert. Leichtere Akkus, leichtere Karosserien, besserer Rollwiderstand der Bereifung, und, und, und.

Daher ergibt es durchaus einen Sinn, vor der Suche nach dem (Elektro-)Traumwagen sein persönliches Nutzungs- und Standortprofil einmal niederzuschreiben. So eine Checkliste kann dann vor mancher Enttäuschung schützen.

Komfort und Sicherheit

Nicht alle modernen Fahrerassistenz-Systeme finden sich in Elektro-Autos der ersten Generation. © TÜV Rheinland

Komfort und Sicherheit

Kommen wir zum zweiten Punkt: Welche Komfort- und Sicherheitsfunktionen werden benötigt. Und hier wird es wieder etwas einfacher. Beim Neufahrzeug hat man als Kaufinteressent noch alle Fäden selbst in der Hand, kann das Kreuzchen an den entsprechenden Stellen der Aufpreis- bzw. Ausstattungsliste machen. Fahrspurassistent, Verkehrsschilderkennung, Abstandstempomat, Notbrems- und Umfeld-Überwachungsfunktionen und vieles mehr gehören bei älteren Fahrzeugen nur selten zum Leistungsumfang.

Unser Fazit: Ältere Elektro-Autos mit kleinen Akkus und kleinen Reichweiten können der ideale Begleiter in der Stadt sein – leise und umweltfreundlich. Allerdings muss die Ladeinfrastruktur die ältere Technik unterstützen. Auch sollte man keine hohen Ansprüche an schnelle Ladezeiten haben. Fernpendler oder Familien, die gern auch längere Urlaubsfahrten mit dem Elektro-Auto unternehmen möchten, sollten eher jüngere Fahrzeuge mit Schnelllade-Funktion oder direkt Hybrid-Fahrzeuge mit zusätzlichem Verbrenner-Motor in die Kaufbetrachtung ziehen. Die Kunst ist es dann, ein junges Fahrzeug zu einem akzeptablen Preis zu finden.

E-Autos aus zweiter Hand
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