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Fischhandel Rasmus
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Bismarckhering 2.0 – auf den Spuren des adligen Originals

Fischliebhaber und Verkaterte können nicht genug von ihm bekommen – der Bismarckhering erfreut sich seit rund 150 Jahren größter Beliebtheit. Doch was macht diese rustikale Mahlzeit aus und wie ist der Bismarckhering überhaupt zu seinem adeligen Namen gekommen? Wir haben den zahlreichen Mythen und Legenden, die sich um den schmackhaften Salzwasserfisch ranken, einmal auf den Zahn gefühlt und sind dabei auf viele spannende Zusammenhänge gestoßen.

 

Von Stralsund in die weite Welt

In der Kürze liegt die Würze. Aber ein bisschen ausholen müssen wir da schon, um den Wurzeln des wahren Bismarckherings auf den Grund zu gehen. Und die liegen nicht in Bremen und der Nordsee, wie manche Gerüchte behaupten, sondern in Stralsund. Während der Hansezeit hatte die Stadt ihre eigenen Heringslandeplätze. Die sogenannten Witten lagen auf Rügen und Hiddensee. Fangfrisch aus der Ostsee wurde der Hering über die Heringstraße erst nach Stralsund und von dort in die große weite Welt transportiert.

Dies geschah bis Mitte des 19. Jahrhunderts als Salzhering. Erst dann schlug die Stunde null des heutigen Bismarckherings. Verantwortlich dafür war der Kaufmann Johann Wiechmann. Der Stralsunder betrieb seit 1853 am Neuen Markt seine Materialwarenhandlung mit einer Schankgenehmigung für Bier und Branntwein. Auch Fisch ging über seine Ladentheke. Während Wiechmann hinter der Kasse stand, nahm seine Frau Karoline im Hinterhof den kompletten Fischfang – Lachse, Aale, Heringe, Hornfische und Flundern – aus. Im Anschluss wurde der Fang gebraten, sauer eingelegt und in Fässern oder lose zum Kauf angeboten. Die Marinade wurde zum Erfolgsrezept. Der florierende Fischverkauf sowie ein Lottogewinn von 1.000 Mark erlaubten Wiechmann, seine eigene Fischkonservenfabrik zu eröffnen und damit die Fischindustrie an der deutschen Ostseeküste zu begründen.

Seine Fässer machten schnell die Runde. So bekam auch Otto von Bismarcks, den Wiechmann sehr verehrte, ein Fass zum Geburtstag geschickt. Vom Geschmack begeistert, ließ der Politiker es sich nicht nehmen, ein persönliches Dankesschreiben an den Absender zu richten.

Als von Bismarck 1871 zum Reichskanzler ernannt wurde, witterte Wiechmann seine Chance. Er verschickte erneut ein Fass der süß-sauer-eingelegten Heringe. Dieses Mal allerdings mit einem Anschreiben und einer einfachen (Marketing-)Frage. Der Kaufmann wollte wissen, ob er seinen Fisch zukünftig unter Bismarcks Namen als Bismarckhering verkaufen dürfe. Die Antwort des zukünftigen Namenspaten ließ nicht lange auf sich warten und ebnete den Weg einer bis heute andauernden Erfolgsgeschichte.

Das Original in neuer Hand

Das Team des Fischhandels Rasmus (v.l.): Luisa Uchtenhagen, Mathias Schilling, Rolf Kappes. © marcusfriedrich.media

Das Original in neuer Hand

Diese Erfolgsgeschichte wird mittlerweile unter anderer Flagge fortgeschrieben. Denn die Fischkonservenfabrik fiel dem 2. Weltkrieg zum Opfer. Danach wurde die Herstellung des offiziellen Bismarckherings vorerst eingestellt. Das Rezept blieb innerhalb der Familie. Wiechmanns Nachkommen hüteten es wie einen Schatz – und warteten auf den richtigen Moment. Der kam im Jahr 2001. Als der Fischhandel Rasmus seine Pforten öffnete, sah die Urenkelin Wiechmanns die Chance, das Original wieder aufleben zu lassen. Sie übergab das Rezept an Henry Rasmus, der sich der geheimen Rezeptur als würdig erwies und dem Bismarckhering von „damals“ zurück zu alt-bekanntem Geschmack verhalf. Dies unterstreicht auch eine Urkunde aus dem Jahr 2008, von der Bismarckfamilie persönlich unterzeichnet. „Wir bestätigen Ihnen gerne, dass Sie auch nach unserer Überprüfung berechtigt sind, als Nachfolger von Johann Wiechmann die Entstehung des Namens „Bismarckhering“ für Ihre Firma zu beanspruchen“, steht dort zu lesen. Guter Geschmack liegt bekanntlich in der Familie. Auch Rasmus‘ Nachfolger Mathias Schilling, der das Geschäft 2021 übernahm, darf nach der Originalrezeptur produzieren.

Die Kunden sind begeistert und rennen dem Fischhandel in der Heilgeiststraße 10 die Türen ein. Der Name ist weit über die Grenzen Stralsunds bekannt. Nicht zuletzt auch dank des jungen und dynamischen Teams hinter der Theke. Tradition, Handwerk und Regionalität werden hier in ein völlig neues Licht gerückt und drücken dem Bismarckhering damit auch seinen ganz eigenen „modernen“ Stempel auf.

Aber auch Angela Merkel hat ihren Anteil an der internationalen Popularität. Die ehemalige Bundeskanzlerin hatte in Stralsund ihr Büro und den Wahlkreis Vorpommern/Rügen. Kein Wunder also, dass sie Lokales aus ihrer Heimat verschenkte. So brachte sie US-Präsident George W. Bush oder den französischen Staatspräsidenten François Holland auf den Bismarckschen-Geschmack.

Bismarckhering in verschiedensten Varianten

Jetzt aber mal Butter bei die Fische – ähm Hering. Was macht die auf den ersten Blick eher rustikale Mahlzeit aus und wie wird sie gegessen? Wirklich adelig sieht der Fisch ja nicht aus. Aber wie heißt es so schön: Auf die inneren Werte kommt es an. Und die können in Form einer süß-sauren Marinade aus Essig, Zucker, Zwiebeln und Gewürzen definitiv überzeugen. Darin werden die zwei Heringshälften für einige Tage eingelegt. So kann sich der Geschmack am besten entfalten.

Im Brötchen, auf Brot oder mit Kartoffeln

Es ist angerichtet: Rolf Kappes macht den Bismarckhering fertig für den Versand. © marcusfriedrich.media

Im Brötchen, auf Brot oder mit Kartoffeln

Danach sind den eigenen (Landes-)Vorlieben keine Grenzen gesetzt: Ob im Brötchen mit Zwiebeln garniert (Deutschland), mit Kartoffeln und Sauerrahm serviert (Skandinavien) oder auf Brot mit Butter und Zwiebeln (Niederlande) – der Bismarckhering ist auf viele Art und Weisen schmackhaft. Auch als Katerfrühstück steht die Mahlzeit hoch im Kurs.

Von seinen bescheidenen Anfängen als einfache Beilage zu Kartoffeln bis hin zu seinem heutigen Status hat der Bismarckhering eine bemerkenswerte Wandlung durchgemacht. Er ist nicht nur köstlich, sondern auch voller Erinnerungen an vergangene Zeiten. Doch trotz seiner historischen Bedeutung ist er nicht nur etwas für Nostalgiker. Er ist immer noch ein beliebter Fisch, der auf den Speisekarten von Restaurants und Imbissständen zu finden ist. Egal ob geräuchert, eingelegt oder als Zutat in einem leckeren Heringssalat – der Bismarckhering ist vielseitig und lecker.

Und wem jetzt nicht das Wasser im Mund zusammengelaufen ist, der hat das Original scheinbar noch nie probiert. Das kann sich aber schnell ändern. Der Fischhandel Rasmus hat einen Onlineshop …

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Bismarckhering 2.0 – auf den Spuren des adligen Originals
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