Mobilität & Verkehr
20.05.2024
Artikel zum Hören 10:35 Min.
Lesedauer ca. 7 :00 Min.
20.05.2024
Artikel zum Hören 10:35 Min.

Auf der Überholspur des Lebens: Ältere Menschen hinterm Steuer

Autofahren im Alter ist ein Thema, das in unserer Gesellschaft kontrovers diskutiert wird. Während einige die wachsende Zahl älterer Autofahrerinnen und -fahrer im Straßenverkehr mit Sorge betrachten, betonen andere die Bedeutung der Mobilität für die Lebensqualität im Alter. Insbesondere auf Reisen via Autobahn, wo Geschwindigkeit und Verkehrsdichte eine besondere Herausforderung darstellen, stehen ältere Reisende vor besonderen Herausforderungen beim Verkehrsgeschehen.

Die Sonne steht tief am Horizont als die 72-jährige Elisabeth Kerkhoff ihren Wagen auf die Autobahn lenkt. Die Fahrt zu ihrer Enkelin, die sie seit Monaten nicht gesehen hat, ist lang, aber die Vorfreude groß. Während sie den Verkehr beobachtet, merkt sie, wie sich die Zeiten geändert haben. Die Autos rasen an ihr vorbei, als wäre die Autobahn eine Rennstrecke. Doch Elisabeth Kerkhoff lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Mit ruhiger Hand hält sie das Lenkrad fest, konzentriert sich auf den Verkehr und ihre Spur. Ihre jahrzehntelange Erfahrung hilft ihr, Situationen richtig einzuschätzen. Sie weiß, wann sie Gas geben muss, um sich in den Verkehr einzureihen und wann es sicherer ist, ein schnelleres Auto vorbeizulassen.

Ein paar Kilometer weiter stellt sich Rainer Groh, 82, einer anderen Herausforderung. Er nähert sich einem Autobahnkreuz, das für seine Komplexität berüchtigt ist. Die Beschilderung erscheint ihm wie ein Rätsel, das es zu lösen gilt. Doch Rainer Groh bleibt gelassen. Er verlangsamt seine Fahrt, um sich Zeit zu nehmen, die Schilder zu lesen und die richtige Ausfahrt zu wählen. Er erinnert sich, dass er solche Situationen früher, als er noch jünger war, als aufregend empfunden hat. Heute sind sie für ihn eher lästig, aber nicht unüberwindbar.

Diese – zwar erfundenen, aber dennoch realistischen – Szenarien zeigen, wie ältere Menschen den Straßenverkehr wahrnehmen und wie sie darauf reagieren. Ihre Erfahrung und ihr umsichtiges Verhalten sind wertvolle Ressourcen im schnellen und oft unberechenbaren Verkehrsgeschehen auf der Autobahn. Gleichzeitig sind sie sich bewusst, dass ihre körperliche Leistungsfähigkeit nicht mehr die gleiche ist wie in jungen Jahren. Sie wissen, dass sie vielleicht etwas länger brauchen, um Entscheidungen zu treffen, und dass ihre Reaktionsfähigkeit nachgelassen hat. Aber sie kompensieren dies durch eine vorausschauende und defensive Fahrweise, die sowohl die eigene Sicherheit als auch die der anderen Verkehrsteilnehmer berücksichtigt. Nicht immer zur Freude anderer Verkehrsteilnehmer, die es eilig haben und nicht verstehen, warum in einer klaren Situation das Fahrzeug vor ihnen nicht einfach schneller fährt.

Die Vorteile: Unabhängigkeit und Erfahrung

Die Vorteile: Unabhängigkeit und Erfahrung

Eines der Hauptargumente für das Autofahren im Alter ist die Unabhängigkeit. Für viele ältere Menschen ist das Auto mehr als ein Fortbewegungsmittel, es ist ein Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit. Es ermöglicht ihnen, soziale Kontakte zu pflegen, Arztbesuche selbstständig zu erledigen und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Gerade bei Autobahnfahrten, sei es zu Verwandten und Freunden oder in den Urlaub, bietet das Auto eine Flexibilität, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln oft nur schwer zu erreichen ist. Diese Unabhängigkeit trägt wesentlich zur Lebensqualität und zum Wohlbefinden bei, denn sie ermöglicht es älteren Menschen, ihren Alltag selbstbestimmt zu gestalten und sich nicht eingeschränkt oder von anderen abhängig zu fühlen.

Die Bedeutung des eigenen Autos geht weit über die praktische Mobilität hinaus. Es steht für den Erhalt der persönlichen Freiheit, für die Möglichkeit, spontane Entscheidungen zu treffen, z.B. für einen unerwarteten Besuch bei der Familie oder einen spontanen Ausflug in die Natur. Die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wann und wohin man fährt, ohne auf Fahrpläne oder die Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel Rücksicht nehmen zu müssen, ist für viele ältere Menschen von unschätzbarem Wert.

Darüber hinaus bringen ältere Autofahrerinnen und Autofahrer wertvolle Erfahrungen aus jahrzehntelanger Fahrpraxis mit. Diese Erfahrung kann in vielen Situationen von Vorteil sein, beispielsweise bei der Einschätzung der Verkehrssituation oder im Umgang mit unerwarteten Ereignissen auf der Autobahn. Ihre Fähigkeit, Situationen vorauszusehen und entsprechend zu handeln, basiert auf einem reichen Schatz an Wissen und Können, der jüngeren Fahrenden oft noch fehlt. Diese Senioren und Seniorinnen wissen wie wichtig es ist, genügend Abstand zu halten, die Geschwindigkeit den Wetter- und Verkehrsbedingungen anzupassen und wie man sich bei Pannen oder Unfällen verhält. Ihre Gelassenheit und Geduld im Verkehr können dazu beitragen, Stresssituationen zu entschärfen und die Verkehrssicherheit zu erhöhen.

Die Herausforderungen: Nachlassende Fähigkeiten und Unfallrisiko

Die Herausforderungen: Nachlassende Fähigkeiten und Unfallrisiko

Gleichzeitig dürfen die potenziellen Risiken des Fahrens im Alter nicht außer Acht gelassen werden. Mit zunehmendem Alter ist es normal, dass körperliche und kognitive Fähigkeiten nachlassen – was sich auf Reaktionszeit, Sehvermögen und Konzentration auswirken kann. Diese Veränderungen können die Sicherheit beeinträchtigen, insbesondere auf Autobahnen, wo schnelle Entscheidungen und Reaktionen erforderlich sind. Die Fähigkeit, Geschwindigkeiten richtig einzuschätzen, kann abnehmen und das Sehvermögen bei Dämmerung und in der Nacht kann sich verschlechtern, was das Fahren bei weniger idealen Lichtverhältnissen erschwert. Ältere Menschen können zudem Schwierigkeiten haben, sich schnell an wechselnde Lichtverhältnisse anzupassen, beispielsweise beim Einfahren in einen Tunnel oder beim Ausfahren in helles Sonnenlicht.

Studien zeigen, dass Ältere zwar insgesamt vorsichtiger fahren und Risiken eher vermeiden, in bestimmten Situationen wie beim Spurwechsel auf der Autobahn oder bei komplexer Verkehrsführung jedoch vermehrt Schwierigkeiten haben. Auch die Fähigkeit, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen – eine Notwendigkeit im dichten Autobahnverkehr – nimmt mit dem Alter ab. Genau wie das räumliche Vorstellungsvermögen, das für einen sicheren Spurwechsel und das Abschätzen von Abständen zu anderen Fahrzeugen unerlässlich ist. Zudem mangelt es aufgrund des Alters und damit einhergehender Krankheiten wie Arthritis oft an Beweglichkeit, um beispielsweise den Kopf für den Schulterblick zu drehen.

Ein ausgewogener Blick: Maßnahmen und Empfehlungen

Ein ausgewogener Blick: Maßnahmen und Empfehlungen

Um die Vorteile des Autofahrens im Alter zu nutzen und gleichzeitig die Risiken zu minimieren, sind verschiedene Maßnahmen und Anpassungen denkbar. Regelmäßige freiwillige Gesundheitschecks und Fahrtauglichkeitstests könnten dazu beitragen, dass ältere Autofahrerinnen und -fahrerihre Fähigkeiten realistisch einschätzen und gegebenenfalls rechtzeitig auf das Autofahren verzichten oder Unterstützung suchen. Solche Gesundheitschecks könnten neben der Überprüfung des Sehvermögens und der Reaktionszeit auch kognitive Tests umfassen, die zeigen, wie gut ältere Autofahrende in der Lage sind, komplexe Verkehrssituationen zu bewältigen. Durch die frühzeitige Erkennung möglicher Einschränkungen können individuelle Empfehlungen ausgesprochen werden, die von gezielten Übungen zur Steigerung der kognitiven Flexibilität bis hin zu fahrzeugseitigen Anpassungen zur Erhöhung der Fahrsicherheit reichen.

Darüber hinaus könnten spezielle Fahrtrainings für ältere Menschen angeboten werden, die darauf abzielen, Kenntnisse aufzufrischen und Fähigkeiten zu trainieren die für sicheres Fahren im Alter besonders relevant sind. Solche Trainings könnten neben praktischen Fahrübungen auch Informationen zu den neuesten Verkehrsregeln und -technologien beinhalten, um ältere Fahrende auf dem Laufenden zu halten. Ein besonderer Schwerpunkt könnte auf Situationen gelegt werden die im Alter als herausfordernd empfunden werden, wie Nachtfahrten, Fahrten bei schlechten Witterungsbedingungen oder das Navigieren in komplexen Verkehrssituationen auf Autobahnen.

Auch technische Hilfsmittel und Fahrerassistenzsysteme können unterstützen, indem sie beispielsweise das Einparken erleichtern oder vor Hindernissen warnen. Moderne Fahrzeuge bieten eine Reihe von Assistenzsystemen, die das Fahren sicherer machen können, zum Beispiel adaptive Geschwindigkeitsregler, die den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug automatisch anpassen, oder Spurhalteassistenten die helfen, das Fahrzeug in der Spur zu halten. Der Einsatz solcher Technologien kann dazu beitragen einige der Herausforderungen zu mindern, die mit nachlassenden Fähigkeiten im Alter verbunden sind.

Zusätzlich können Informationskampagnen und Beratungsangebote Seniorinnen und Senioren sowie ihre Familien dabei unterstützen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Informationen über Alternativen zum eigenen Auto, wie öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrdienste, könnten dazu beitragen, dass ältere Menschen auch ohne eigenes Auto mobil und unabhängig bleiben. Die Förderung von Car-Sharing-Angeboten und die Einrichtung von Mobilitätszentralen, die individuelle Beratung zur optimalen Nutzung verschiedener Verkehrsmittel anbieten, sind weitere Bausteine für eine sichere und selbstbestimmte Mobilität im Alter.

Eine gesellschaftliche Aufgabe

Eine gesellschaftliche Aufgabe

Angesichts der Diskussion um das Autofahren im Alter sollten wir alle ein tiefgreifendes Verständnis für die Situation älterer Verkehrsteilnehmenden entwickeln. Schließlich kann jeder von uns eines Tages in dieselbe Rolle schlüpfen und wird sich ähnlichen Herausforderungen im Straßenverkehr stellen müssen. Es ist wichtig zu erkennen, dass es im Grunde um ein Miteinander und nicht um ein Gegeneinander geht. Die Straße ist für uns alle da, und ein respektvolles und unterstützendes Miteinander ist der Schlüssel zu einer sicheren und harmonischen Verkehrsumgebung. Eine Gesellschaft, die sich durch Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Bedürfnisse und Einschränkungen aller ihrer Mitglieder auszeichnet, wird letztlich eine stärkere und widerstandsfähigere Gemeinschaft sein. Mehr Gelassenheit und Geduld im Straßenverkehr kommen allen zugute – unabhängig vom Alter.

Das könnte Sie auch interessieren:
Das Thema Barrierefreiheit im Auto gewinnt auch im Alter an Bedeutung. In diesem Beitrag erfahren Sie, was heutzutage schon alles möglich ist.

Auf der Überholspur des Lebens: Ältere Menschen hinterm Steuer
0:00
/
© 2024 
Autobahn Tank & Rast Gruppe GmbH & Co. KG