Die Weltenmacher
Was vor über 20 Jahren mit einer scheinbaren Schnapsidee startete, hat sich in den darauffolgenden Jahren zu einem Publikumsmagneten ungeahnten Ausmaßes entwickelt. Das Miniatur Wunderland in Hamburg ist nicht nur für Besucher der Hansestadt ein Muss, sondern führt auch regelmäßig die Liste der beliebtesten Reiseziele Deutschlands an. Kein Wunder, die Zwillingsbrüder Frederik und Gerrit Braun sowie die Crew des Miniatur Wunderlandes haben mittlerweile auf mehreren Stockwerken in der Speicherstadt eine Welt geschaffen, die Jung und Alt, Männer wie Frauen, gleichermaßen begeistert. Dabei war vor 22 Jahren nicht klar, ob die Sache wirklich ein Erfolg wird.
Wie wird man zum Besitzer der größten Miniaturmodellbahn der Welt? Im Falle der Brüder Braun beginnt die Geschichte mit einem Besuch von Frederik im Jahr 2000 bei Freunden in Zürich. Als er durch die Gassen Zürichs schlenderte, stieß er dabei auf ein Modellbahngeschäft, das Kindheitserinnerungen aufleben ließ. Inspiriert von diesen Eindrücken, reifte in den darauffolgenden Stunden die Idee, einen vergessen geglaubten Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Noch am selben Tag rief er seinen Zwillingsbruder Gerrit an und überrumpelte ihn mit folgender Aussage: „Wir bauen die größte Modelleisenbahn der Welt.“ Gerrit, von Natur aus eher rational und analytisch, zweifelte anfangs an Frederiks Geisteszustand und der Ernsthaftigkeit dieser Idee. Frederik, hartnäckig und euphorisch wie er ist, ließ sich davon nicht abbringen. Nach weiteren sechs Anrufen begann auch Gerrit, die Idee ernsthaft zu beleuchten. Der Gedanke, mit seinem einstigen Hobby seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, begeisterte ihn ebenfalls. Im Gegensatz zu Frederik war er anfangs jedoch ein bisschen besonnener und vertraute mehr auf Zahlen als auf Emotionen.
Eine Schnapsidee nimmt Gestalt an
Eine Schnapsidee nimmt Gestalt an
Auch das Umfeld der beiden Brüder stand der Idee sehr kritisch gegenüber. „Fast allen, denen wir von unserer Idee erzählten, erklärten uns für verrückte, weltfremde Träumer“, beschreibt Frederik Braun die Stimmung von damals. Bruder Gerrit fügt hinzu: „Wahrscheinlich hätten wir zu dieser Zeit mehr Zustimmung für den Bau von Transportzeppelinen, einer Tamagotchi-Ausstellung oder eines neuen Faxgerätes bekommen. Das Bauen von Modelleisenbahnen galt lange Zeit als antiquiertes Hobby von Eigenbrötlern.“ Daher stand von Anfang an fest, dass der Umgang mit Modelleisenbahnen quasi neu erfunden werden musste. Eine erste Umfrage, in der nach 45 teils fiktiven Attraktionen in Hamburg gefragt wurde, brachte ans Licht, dass die größte Modelleisenbahn der Welt bei Männern ganz vorne und bei Frauen auf dem allerletzten Platz landete. Und so reifte die Grundidee des Wunderlandes. Es sollte keine Anlage hinter Glasscheiben entstehen, sondern eine liebevoll gestaltete Modellwelt, in der Züge nur eines von vielen Highlights sind. „Unser Wunsch war es, eine Welt zu bauen, die gleichermaßen Männer, Frauen und Kinder zum Träumen und Staunen animiert“, erklärt Gerrit Braun. Gemeinsam mit ihrem Vater Jochen Braun und ihrem langjährigen Partner Stephan Hertz wurde das Miniatur Wunderland gegründet. Die Standortwahl fiel auf die Speicherstadt, damals noch durch einen Zollzaun vom Rest der Stadt getrennt.Das ursprüngliche Konzept sah vor, dass die Anlage von 20 Mitarbeitern gebaut und betreut wird, 100.000 Besucher jedes Jahr die Ausstellung besuchen und ein Kredit über 2.000.000 Mark locker für den Ausbau reicht. Aus 20 Mitarbeitern wurden allerdings 40 bis zur Eröffnung am 16. August 2001, und auch der Bau war deutlich kostenintensiver als geplant. Verkalkuliert auf ganzer Linie. Auch aus den erträumten 100.000 Besuchern im ersten Jahr wurden 300.000. Der Startschuss eines Märchens. Und es gibt kein Halten mehr. In den vergangenen Jahren haben jährlich rund 1,4 Millionen Besucher die weltgrößte Modelleisenbahnanlage (attestiert von Guinness World Records) und eine der erfolgreichsten Ausstellungen Europas besucht.
Es wächst und wächst
Es wächst und wächst
Angetrieben vom Erfolg der Ausstellung war von Anfang an klar, dass das Miniatur-Wunderland weiterwachsen würde. So folgte bereits ein Jahr nach der Eröffnung der Anlage die Erweiterung mit einem Hamburg-Abschnitt, wiederum ein Jahr später der Thementeil Amerika. Mittlerweile können Besucher in wenigen Schritten von Deutschland über die Schweiz nach Skandinavien, Italien und – erst jüngst fertiggestellt – nach Rio de Janeiro wandern. Sie erleben dabei die Highlights der entsprechenden Gebiete, mit viel Liebe zum Detail und in etlichen Arbeitsstunden vom mittlerweile 360 Personen umfassenden Team erbaut. Bauzeit bis heute: unglaubliche 990.000 Stunden bei rund 38 Millionen Euro Baukosten. Auch der anfänglich eingeplante Platz reicht mittlerweile nicht mehr aus. Mittels einer Brücke wurde jetzt ein weiterer Speicher an das Miniatur Wunderland angeschlossen. Dort findet sich nun der Thementeil Rio und vor allem Platz für die nächsten Erweiterungen, die bereits in der Planung sind: darunter Patagonien, die Antarktis sowie Asien. Gebaut wird hier halt immer …Alles wie in echt
Alles wie in echt
Besonders Gerrit ist unter den Fans des Miniatur Wunderlands für seine Technikexpertise bekannt. Und lässt sich auch durch Rückschläge nicht vom Ziel abbringen. Alles soll im Kleinen so ablaufen wie im echten Leben. Dazu bohrte er das vom Hersteller Faller bekannte Carsystem, dass die Autos wie von Geisterhand über die Anlage fahren lässt, soweit auf, dass sogar die Experten von Faller den Hut zogen. Autos und Nutzfahrzeuge im Miniatur Wunderland fahren eben nicht nur einfach, sondern werden durch etliche Computer durch die Miniaturwelt gesteuert. Inklusive Blinker setzen beim Abbiegen, Überholmanövern und selbstständigem Nachladen an diversen Ladestationen, wenn der Akku nicht mehr viel Saft hat. Im Jahr 2011 eröffnete der Nachbau des Hamburger Flughafens, bei dem die Flugzeuge und alle Fahrzeuge sich genauso bewegen, wie beim großen Vorbild. Bis die Flugzeuge allerdings richtig landeten und abhoben, wurde lange getüfftelt. Auf seinem Videokanal berichtet Gerrit in ausführlichen Videos, wie frustrierend teilweise die Arbeit an diesem Thementeil war, weil einfach die Flieger nicht das machen wollten, was die Macher ihnen vorgaben. Das jüngste Tüftel-Abenteuer: die Grand Prix-Strecke von Monaco, auf der die Formel-1-Autos ein Rennen fahren sollen.Ein Ausflug, der sich immer lohnt
Ein Ausflug, der sich immer lohnt
Es gibt also genug zu erleben im Miniatur Wunderland. Das ist auch der Grund, warum viele Besucher regelmäßig wiederkommen. Selbst wer denkt, er habe alles in einem Abschnitt gesehen, der schaut einfach noch einmal genauer hin und entdeckt Szenen, die ihm vorher nicht aufgefallen sind. Auch das ist der Geist des Miniatur Wunderlandes: Das Bauteam liebt es, eigene Geschichten mit einfließen zu lassen. Zur Freude der Gäste. Denn auch hier ist die Rechnung der Gebrüder Braun aufgegangen: Frauen kommen genauso gern, wie Männer. Es ist eben mehr, als nur die weltgrößte Modelleisenbahnanlage!
Das Miniatur Wunderland in Zahlen:
Man muss es sehen, um wirklich zu begreifen, wie groß das Miniatur Wunderland ist. Hier einige Zahlen, die zeigen, dass in Hamburg keine halben Sachen gemacht werden.
- Modellfläche: 1.545 Quadratmeter
- Gleislänge: 16.138 Meter
- Züge: 1.120
- Längster Zug: 14,51 Meter
- Häuser & Brücken: 4.640
- Autos: 10.250, davon 280 fahrend
- Figuren: 289.00, davon 37.000 handgefertigt
- LEDs: 497.000
- Bäume: 142.000
- Wasser: 30.000 Liter
- Schiffe: 487
- Flugzeuge: 52, davon 42 fliegend
Bildnachweis: © Miniatur Wunderland Hamburg, miniatur-wunderland.de
Das könnte Sie ebenfalls interessieren:
Lust auf einen Abstecher in unser Nachbarland Niederlande? Dann empfiehlt sich der Besuch von Maastricht. Die Stadt auf beiden Seiten der Maas hat viele Dinge zu bieten. Was genau erfahren Sie hier.