Freizeit & Reisen
Die Wetterstation auf der Brockenkuppe.
16.06.2025
Artikel zum Hören 09:02 Min.
Lesedauer ca. 7 :00 Min.
16.06.2025
Artikel zum Hören 09:02 Min.

Hexen, Spione und der Wilde Osten: Wie der Brocken zum Berg der Extreme wurde

Der Brocken – ein Berg wie kein anderer. Höchster Punkt Norddeutschlands, Magnet für Sagen und Schauplatz skurriler Geschichten. Warum sollte man sich für diesen Felsklotz im Harz interessieren? Ganz einfach: Der Brocken hat eine Geschichte, die so spannend ist wie die Spionagethriller des Kalten Krieges, so sagenhaft wie Goethes „Faust“ und so atemberaubend wie eine Fahrt mit der Dampflok auf seinen Gipfel. Wer diesen Berg versteht, versteht auch ein Stück deutscher Geschichte.

Sagen wir es, wie es ist: Es gibt viele Berge in Deutschland. Manche sind imposant, andere eher mittelmäßig. Aber der Brocken sticht heraus. Schon seine Lage inmitten des Harzes verleiht ihm eine mystische Aura, die ihn seit Jahrhunderten zum Magneten für Sagen, Legenden und allerlei skurrile Gestalten macht. Doch es sind nicht nur die Hexengeschichten, die den Brocken zu etwas Besonderem machen.

Dieser Berg hat alles gesehen – und wir meinen wirklich alles. Von Goethe, der ihn literarisch in Szene setzte, bis hin zu Stasi-Agenten, die hier das Westfernsehen abhörten. Es gibt nur wenige Orte in Deutschland, die eine so bewegte Geschichte haben und gleichzeitig ein beliebtes Ausflugsziel geblieben sind. Doch der Reihe nach.

Hexen, Teufel und die Walpurgisnacht: Mythen, die es in sich haben

Hexen, Teufel und die Walpurgisnacht: Mythen, die es in sich haben

Wir alle kennen die Geschichten: Einmal im Jahr, in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai, versammeln sich die Hexen auf dem Brocken, um mit dem Teufel höchstpersönlich einen feurigen Tanz aufzuführen. Natürlich wissen wir alle, dass es sich dabei um Aberglauben handelt, aber die Vorstellung hat etwas – und sie prägt die Identität des Berges bis heute.

Längst ist die Walpurgisnacht zu einem regelrechten Event geworden, bei dem sich alljährlich Tausende von Menschen im Harz versammeln, um mit Feuerwerk, Kostümen und allerlei schaurigen Inszenierungen den Geistern der Vergangenheit zu huldigen. Aber warum eigentlich der Brocken?

Nun, seine Höhe und die raue, fast unwirkliche Landschaft machten den Gipfel schon im Mittelalter zu einem Ort, den man sich nur schwer erklären konnte. Und was der Mensch nicht versteht, das dichtet er sich eben zusammen. Das Ergebnis? Der Brocken wurde zum Treffpunkt aller finsteren Gestalten, die sich nachts mit dem Leibhaftigen ein Stelldichein geben sollten.

Goethe und der „Faust“: Der Brocken als literarisches Meisterstück

Goethe und der „Faust“: Der Brocken als literarisches Meisterstück

Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe selbst hat den Brocken endgültig zum mythischen Ort der deutschen Literatur erhoben. In seinem berühmten Werk „Faust“ schickt er den Gelehrten Faust und den verschlagenen Mephisto auf eben jenen Berg, um an einem nächtlichen Hexenfest teilzunehmen. Die Szene ist weltberühmt und hat das Bild des Brockens als Schauplatz unheimlicher Ereignisse für immer in der deutschen Kultur verankert.
Übrigens war auch Goethe auf dem Brocken – 1777 bestieg er den Gipfel, um die raue Natur auf sich wirken zu lassen. Und das merkt man seinen Beschreibungen an. Der Brocken, schrieb er, sei ein Ort „höchst ungebührlicher Gestalt“. Perfekt also für einen Hexensabbat. Doch bei literarischen Ausflügen sollte es nicht bleiben. Der Brocken hatte noch viel realistischere Dramen vor sich.

Der Brocken als Schauplatz wissenschaftlicher Neugier

Der Brocken als Schauplatz wissenschaftlicher Neugier

Bevor der Brocken zum militärischen Sperrgebiet wurde, war er eines der ersten Ziele wissenschaftlicher Neugier. Bereits im 18. Jahrhundert erkannten Forscher, dass sich die Höhe des Berges ideal für meteorologische Beobachtungen eignete. Johann Wolfgang Hassenfratz, einer der ersten Naturforscher, der den Brocken bestieg, führte bereits 1736 meteorologische Messungen durch – eine Pionierleistung für die damalige Zeit.

Im 19. Jahrhundert entstand schließlich die erste ständige Wetterstation auf dem Gipfel. Hier wurde Tag für Tag das Wetter dokumentiert, die Windgeschwindigkeit gemessen und die Temperatur notiert. Man könnte sagen, der Brocken war eine der ersten „Wetter-Apps“ Deutschlands – nur ohne Satelliten und Internet. Und so wurde der Berg zu einem echten Hotspot für Forscher und Wissenschaftler, die sich unter den rauen Bedingungen des Gipfels austoben konnten.

Die Bedeutung des Brockens für die Wetterforschung ist bis heute ungebrochen: Noch immer gibt es auf dem Gipfel eine Wetterstation, die unverzichtbare Daten für die Klimaforschung liefert. Doch nicht nur für Wissenschaftler war der Brocken interessant.

Kalter Krieg auf dem Brocken: Die Spione kommen

Kalter Krieg auf dem Brocken: Die Spione kommen

Wenige Jahrzehnte später wandelte sich das Bild des Brockens grundlegend. Aus dem Mythen- und Wissenschaftsberg wurde ein Bollwerk des Kalten Krieges. Seine Lage direkt an der Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR machte den Brocken zu einem strategischen Punkt im Wettrüsten der Großmächte.

Die DDR-Regierung nutzte den Berg, um modernste Spionagetechnik zu installieren. Von den riesigen Radaranlagen auf dem Gipfel wurde der gesamte Luftraum bis weit in den Westen hinein überwacht. Außerdem diente der Brocken als Abhörstation: Stasi und sowjetische Militärs hörten hier den Funkverkehr der NATO ab und sammelten Informationen über Truppenbewegungen in Westdeutschland. Zutritt hatten nur hochrangige Militärs und Spione. Für die normale Bevölkerung – ob in der DDR oder in der Bundesrepublik – war der Brocken jahrzehntelang ein verbotener Ort. Selbst Wanderer, die sich den alten Wegen näherten, wurden von Grenzpatrouillen abgefangen und umgeleitet. Die Situation war so extrem, dass der Brocken in diesen Jahren für die meisten Menschen so gut wie unsichtbar war – ein weißer Fleck auf der Landkarte, dessen Gipfel von riesigen Antennen und Radartürmen dominiert wurde.

Der Brocken nach der Wende: Vom Sperrgebiet zum Wanderparadies

Der Brocken nach der Wende: Vom Sperrgebiet zum Wanderparadies

Mit dem Fall der Mauer 1989 endete auch die militärische Nutzung des Brockens. Bereits wenige Wochen nach der Wiedervereinigung begann der Abbau der Radaranlagen und der Berg wurde Stück für Stück der Öffentlichkeit zurückgegeben. Am 3. Dezember 1989 bestiegen Hunderte von Menschen – viele von ihnen DDR-Bürger, die den Brocken ihr Leben lang nur aus der Ferne gesehen hatten – zum ersten Mal den Gipfel.

In den folgenden Jahren wurde der Berg aufwendig renaturiert. Heute steht der Brocken als Teil des Nationalparks Harz unter strengem Naturschutz. Die unberührte Natur erholte sich schnell von der jahrzehntelangen militärischen Nutzung. Wanderwege wurden neu angelegt und die Brockenbahn, eine dampfbetriebene Schmalspurbahn, wieder in Betrieb genommen.

Für viele ist die Fahrt mit der Brockenbahn heute der Höhepunkt eines Harzbesuches. Gemächlich schnauft die historische Lokomotive durch dichte Wälder und über tiefe Schluchten hinauf zum Gipfel. Dort wartet ein spektakulärer Rundblick über den gesamten Harz und darüber hinaus – so friedlich, dass man sich kaum vorstellen kann, dass hier einst das Herz der Spionageabwehr des Kalten Krieges schlug.

Naturschutz und Tourismus: Balance auf dem Gipfel

Naturschutz und Tourismus: Balance auf dem Gipfel

Heute ist der Brocken eines der beliebtesten Ausflugsziele Deutschlands. Jährlich strömen Hunderttausende Besucher auf den Gipfel, um die atemberaubende Aussicht zu genießen, eine Fahrt mit der historischen Brockenbahn zu erleben oder einfach die besondere Atmosphäre des geschichtsträchtigen Ortes auf sich wirken zu lassen.

Gleichzeitig stellt der Besucheransturm eine Herausforderung für den Naturschutz dar. Die empfindliche Flora und Fauna des Brockens, die durch das raue Klima und die Höhe des Berges geprägt ist, bedarf eines besonderen Schutzes. Pflanzenarten, die auf dem Brocken wachsen, sind zum Teil Relikte der letzten Eiszeit und kommen in dieser Form nirgendwo sonst in Deutschland vor.

Doch dank strenger Naturschutzauflagen und einer nachhaltigen Tourismusstrategie ist es bisher gelungen, den Brocken als natürlichen Lebensraum und gleichzeitig als touristische Attraktion zu erhalten. Eine Herausforderung, die angesichts steigender Besucherzahlen in Zukunft noch größer werden könnte.

Fazit: Ein Berg, der Geschichte atmet

Fazit: Ein Berg, der Geschichte atmet

Ob man sich für Geschichte, Natur oder einfach nur spektakuläre Aussichten interessiert – der Brocken hat für jeden etwas zu bieten. Von den Hexenmythen des Mittelalters über die dunklen Kapitel des Kalten Krieges bis hin zu seiner Renaissance als beliebtes Ausflugsziel nach der Wiedervereinigung ist der Berg ein Stück gelebte deutsche Geschichte.

Schnüren Sie also Ihre Wanderschuhe, steigen Sie in die Brockenbahn oder werfen Sie einfach nur einen Blick auf die mystische Silhouette des Brockens aus der Ferne – dieser Berg wird Sie garantiert in seinen Bann ziehen.

Lesetipp: Wer vom Brocken nicht genug bekommen kann, wird am Rursee seine helle Freude haben – ein See mit Tiefgang und Geschichte. Mehr dazu unter: Der Rursee: ein Gewässer voller Geschichten

Hexen, Spione und der Wilde Osten: Wie der Brocken zum Berg der Extreme wurde
0:00
/
© 2025 
Autobahn Tank & Rast Gruppe GmbH & Co. KG